Macabros 014: Knochensaat
Die Welt
weiß nichts von der Existenz dieser Stätte. Ernest Tragon
begleitet mich. Er soll mein Zeuge sein. Wenn wir nur einen Bruchteil
des Schatzes mitbringen, ist das genug für uns beide. Mehr als
genug, mehr als für ein Leben.«
Owen verlor sich in Schwärmereien.
»Wir stehen vor dem Tempel«, hieß es anderswo. Er
beschrieb ihn genau. »Ein Hügel, ein dicker, grüner
Pflanzenteppich. Hier sollen die Reste eines Tempels liegen? Wo ist
der Eingang? Wir finden ihn. Flach auf dem Boden liegend wühlen
wir uns durch das Geflecht aus Lianen, Blattwerk und Schlingpflanzen.
Und dann haben wir ein Loch vor uns, zwei Schritte nur in die Tiefe
– und wir stehen im Tempel.«
Die nächste Eintragung war erst drei Monate später
datiert. Was war geschehen?
In wenigen Worten sollte Björn Hellmark es erfahren.
»Berge von Gold – und doch gehört nicht ein
einziges Gramm mir! Ernest hat es erwischt. Sie liegen auf der Lauer.
Die verfluchten Priester und ihr Gottkönig. Sie haben ihm das
Herz aus der Brust gerissen, ich habe es mit eigenen Augen gesehen.
Ich konnte fliehen. Aber es ist das Dasein eines lebenden Leichnams.
Seit heute weiß ich es genau: Das Fleisch löst sich von
den Knochen. Ich sehe nicht, wie es schwindet, sehe es nicht
abbröckeln und nicht abfallen. Ich empfinde keine Schmerzen. Es
verschwindet einfach, das ist alles… ich trage die Knochensaat
in mir… der Fluch der Priester und des verdammten
Gottkönigs. Soll ich zugrunde gehen wie ein räudiger
Köter? Noch mal Diana sehen! Ich hatte ihr versprochen, eines
Tages steinreich zurückzukommen. Vielleicht ist doch noch nicht
aller Tage Abend. Es noch mal versuchen, ist das drin? Jetzt, da man
weiß, wie es aussieht, eine Möglichkeit zu finden, dem
Unheil zu begegnen. Ein letzter Versuch…«
*
Da ist einer unterwegs, Björn dachte wieder an die Worte der
Skelett-Frau, die sich in Nichts aufgelöst hatte.
Aber auch James Owen war es so ergangen.
Ein Fluch, der über Jahrhunderte wirksam war, hatte ihn
dahingerafft.
Ihn – und Unschuldige. Dorothy Aigens, die unabsichtlich mit
Owen in Berührung gekommen war, ihre Mutter, ihren Vater, die
wiederum Dorothy berührt hatten.
Die Knochensaat ging auf…
James Owen verlor sich nicht nur in Erklärungen. In dem
Tagebuch war auch ein sehr detaillierter Plan zu finden. Der Weg von
Peto aus in den Dschungel. Owen hatte für zehn Meilen eine ganze
Woche gebraucht. Nur zehn Meilen von Peto entfernt lag der
Aztekentempel, und die Fachwelt wußte nichts davon. Es war ein
Hohn!
Von diesem Original-Plan war eine Kopie angefertigt worden. Diana
Owens Skelett hatte ausdrücklich davon gesprochen, daß das
Original noch vorhanden sei.
Jemand war unterwegs…
’Es noch mal versuchen’, kam es Hellmark wieder in den
Sinn. So hatte James Owen geschrieben. War dies ein zweiter Versuch?
Aber das konnte doch nicht sein…
Er merkte, wie er den Gedanken, den er suchte, nicht fassen
konnte.
Nichts war endgültig. Nur eins war sicher: Die Gefahr war in
vollem Gang, und kein Mensch ahnte, wie brenzlig die Situation
bereits war.
James Owen hatte den Grundstein gelegt. Durch Phil Anderson
konnten unter Umständen weitere Ansteckungen vorkommen.
Jenseitige Kräfte waren den Aztekenpriestern zugute gekommen.
Seine Vorahnung zeigte sich berechtigt.
Nahm die Gefahr zu?
Er mußte es ergründen und diesem Nest, in dem finstere
Kräfte wirkten, auf die Spur kommen.
Er wollte es gleich tun, begutachtete Owens Plan und konzentrierte
sich auf die Stelle, an der sich jener dschungelüberwucherte
Hügel befand.
Der nächste Gedanke war – dort zu sein.
Aber es geschah nichts.
Sein Doppelkörper entwickelte sich nicht! Er empfing nicht
die geringsten Einflüsse. Die Bilder, die er über seine
Teleaugen durch Macabros aufnahm, blieben dunkel, weil Macabros nicht
an dem Ort aktiv wurde.
Was war passiert?
Ein eisiger Schreck durchfuhr ihn. Er wußte, daß im
Zustand großer Erschöpfung oder nach mehrmaligem
Aktivieren seiner besonderen Fähigkeiten ein solcher Zustand
eintreten konnte und sein Doppelkörper nicht entstand.
Aber er war nicht erschöpft! Er war nicht zu lange mit
Macabros unterwegs gewesen, als daß seine Kräfte
überstrapaziert worden wären.
Was ging hier vor?
Verlor sich seine Gabe wieder?
Der Gedanke daran erschreckte ihn. Er hatte gerade erst
angefangen, sie sicher zu beherrschen und sich daran gewöhnt, an
zwei Orten zu gleicher Zeit zu sein. Ein uralter Traum der Menschen!
Bei
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