Macabros 017: Dwylup - Stadt der Monster
haben. Auf den zweiten Blick aber sah das schon
ganz anders aus.
Frau Hoffner war vom Tod ihres Mannes unterrichtet worden und nach
Oberhofen gekommen, um sich zu vergewissern, ob der Tote auch
wirklich ihr Mann war. Im Gespräch mit der Kantonspolizei war
geklärt worden, daß Hoffner und Merkel sowohl privat als
auch geschäftlich miteinander verkehrten und daß ihr Mann
auf Grund eines Briefes von Enio Merkel abgereist war.
Hoffner und Merkel kannten sich. Was stand in dem Brief?
Wenn Hoffner auf Grund des Briefes die weite Reise gemacht hatte,
dann bedeutete dies, daß er etwas Bestimmtes erwartete.
In der Aussage von Frau Hoffner gab es Lücken.
Björn kannte die Worte, die er in der Zeitung gelesen hatte,
auswendig. Irgend etwas verschwieg diese Frau.
Er mußte sie sprechen.
Sie hielt sich noch in der Pension Seeblick auf.
Von der Tochter des Besitzers, die den großen blonden Mann
mit den markanten Zügen aus himmelblauen Augen vielversprechend
musterte, erfuhr er, daß Frau Hoffner auf ihrem Zimmer
weilte.
Björn drückte dem Mädchen eine Geldnote in die
Hand. »Wenn Sie es fertigbringen, daß ich sie sprechen
kann, gebe ich Ihnen beim Abschied noch einen…«
»Einen Kuß?«
»Wenn Sie sich damit zufrieden gäben, ja«,
entgegnete er lächelnd und sah sie an. Das etwa
zwanzigjährige Mädchen war dunkelhaarig, hatte einen
großen, sinnlichen Mund und Augen klar wie ein Bergsee. Sie
steckte in einem hauteng anliegenden Pulli, der deutlich machte,
daß sie es ablehnte, einen BH zu tragen. Der Rock war kurz und
glockig geschnitten, und sie wirkte darin wie eine Puppe.
»Wir reden darüber«, lächelte sie
bedeutungsvoll, und in ihrer dunklen Stimme schwang jener Unterton
mit, der auch einem Schwerhörigen klarmachte, daß sie
gewissen Dingen recht freizügig gegenüberstand und
daß sie sich ihrer Wirkung voll bewußt war. »Ich
poche mal an und frage, ob sie etwas gegen einen Besuch einzuwenden
hätte.« Sie stülpte die Lippen nach vorn. »Von
der Polizei kommen Sie auf alle Fälle nicht.« Über
Menschenkenntnis schien sie auch zu verfügen. »Zeitung,
tippe ich.«
»Könnte sein, aber ich will Frau Hoffner nicht
belästigen. Ich versuche ihr zu helfen. Sagen Sie ihr das bitte!
Mein Name ist Hellmark.«
Die Serviererin stieg die steile, hölzerne Treppe empor. Die
schlanken Beine waren eine Augenweide.
Das Mädchen winkte eine Minute später vom höher
gelegenen Treppenabsatz.
Hellmark ging nach oben.
»Zimmer dreiundzwanzig.« Ehe Björn sich versah,
schlang sie die Arme um seinen Hals und preßte ihre
heißen, vollen Lippen auf seinen Mund.
*
Lucy Hoffner war ganz in Schwarz gekleidet. Ihr Gesicht war
bleich, man sah ihr an, daß sie viel geweint hatte. Aber sie
war von jener Sorte Frau, die mit einem Schicksalsschlag fertig wurde
und sich erstaunlich schnell mit einer neuen Situation abfand.
»Sie wollen mir helfen?« wunderte sie sich.
»Das kann ich nur, wenn ich die volle Wahrheit
weiß.«
In ihren Augen blitzte es kurz auf. »Was wollen Sie damit
sagen?«
»Ich glaube, daß Sie den Herren von der Kantonspolizei
etwas verschwiegen haben.« Er sagte es nicht arrogant, nicht
vorwurfsvoll. Es war eine reine Feststellung.
»Sie bezichtigen mich der Lüge?«
»So weit möchte ich nicht gehen. Ich vermute. Sie haben
einiges ausgelassen, aus Angst, vielleicht noch mehr Verwirrung zu
stiften.«
»Können Sie Gedanken lesen?«
»Leider nein. Dann wäre manches einfacher. Ich bin
möglicherweise der erste, der es gemerkt hat. Im Kommissariat
wird man auch ganz schnell auf diesen Umstand stoßen. Aber dort
sieht man den Vorfall noch in einem anderen Licht.«
»Und in welchem besonderen sehen Sie ihn?«
»Ihr Mann rief Sie noch mal an, um Ihnen zu sagen, daß
er noch in Oberhofen bleiben wolle. Aus welchem Grund?«
»Eine geschäftliche Angelegenheit, ich weiß nicht.
Er weihte mich nie in Einzelheiten ein.«
»Sie bleiben noch immer bei dem, was Sie auch der Polizei
sagten. Dabei haben Sie das gar nicht nötig. Sie belasten
niemand mehr, Frau Hoffner! Ihr Mann ist tot. Selbst wenn er noch vor
der Polizei vom Tod seines Freundes Merkel wußte, braucht er
nichts damit zu tun zu haben.« Er sah ihrem Gesicht an,
daß er mit seinen Überlegungen richtig lag.
»Ihr Mann wurde ausgeraubt. Jemand muß ihn beobachtet
haben, als er zum Haus Merkels ging. Vielleicht wollte der
Mörder das gleiche wie Ihr Gatte – und er hat es sich
schließlich auch geholt. Auf seine Weise.«
Sie
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