Macabros 017: Dwylup - Stadt der Monster
Strecke
gebracht?« fragte er rauh. Das schien ihm im Augenblick mehr
Sorgen zu bereiten als die Tatsache, daß der Fabrikant nicht
mehr existierte. Ein Zeichen dafür, daß Ketters Hirn noch
nicht einwandfrei funktionierte.
Er starrte mit leerem Blick auf seine rauchende Waffe.
»Unsere Waffen vermögen nichts gegen sie auszurichten.
Gegen Geister und Dämonen geht man nicht mit Messer und Pistole
vor.«
»Aber… sie sind… verletzbar«, stotterte
Ketter, der die Erfahrung seines Lebens gemacht zu haben schien. Er
spielte auf den Unfall Luigi Maronnes an, von dem Björn
behauptete, er sei ebenfalls ein Monster gewesen. »Die
Verletzungen haben ihn getötet.«
»Das ist richtig, und das eine schließt das andere
nicht aus, Kommissar. Ich kann Ihnen auch sagen weshalb: Dieses
Ungetüm wäre durch Ihre Kugeln zugrunde gegangen, wenn Sie
die Waffe auf Susan, das Kindermädchen gerichtet hätten. In
dem Augenblick nämlich, als das Monster sich für den
Körper Susans entschloß, um für diese Welt
gerüstet zu sein, übernahm es damit auch eine Schwäche
dieser Welt, nämlich die Verletzbarkeit und die Fähigkeit,
durch äußere Einwirkungen zu sterben. Das Monster, das
Luigi Maronne hieß, das sich für dessen Körper
entschieden hatte, starb als Luigi Maronne. Wäre es in dem
Augenblick in seinem wirklichen Körper gewesen –
hätten die Verletzungen ihm nichts anhaben
können.«
»Ich versuche, es zu begreifen… aber ich verstehe es
noch immer nicht.« Ketters Stimme klang tonlos.
Er blickte sich in der Runde um wie in Trance. »Sie sehen aus
wie Menschen, wenn sie wollen… man kann sie dann nicht von einem
echten Menschen unterscheiden… sie können sich frei unter
uns bewegen, und wir erkennen sie nicht…« Sein Blick wurde
klarer. Er kehrte wieder in die Wirklichkeit zurück, und
Björn war froh darüber, daß Ketter diese schreckliche
Begegnung überstanden hatte.
Auch Hellmark fing erst jetzt an, sich von dem Anblick zu erholen.
Die Nähe eines Dwylup-Monsters machte sich auch bei ihm
bemerkbar, obwohl er kerngesund war und nur dieser Tatsache allein
sein Leben verdankte.
Martha Butscher hatte Glück gehabt. Susan-Monster hatte die
Tat nicht wie geplant ausführen können und die Ohnmacht, in
welche die Fabrikantenfrau schließlich gefallen war, wurde zu
ihrem Lebensretter. Sie hatte nicht mitbekommen, was sich im
einzelnen in ihrer unmittelbaren Umgebung abgespielt hatte.
»Man kann etwas tun«, sagte Björn, auf die letzte
Bemerkung Ketters anspielend, während sie die Fabrikantenfrau
auf die Couch trugen. »Man muß sie daran hindern, erst wie
Menschen zu werden.«
Ketter sah den Mann, den er erst heute kennengelernt hatte und der
ihm doch so vertraut geworden war wie ein langjähriger Freund,
überrascht an.
»Wie wollen Sie das bewerkstelligen?«
»Erinnern Sie sich noch daran, was Hans Butscher Ihnen am
Telefon über seine Kinder sagte? Sie hätten sich heute
abend so merkwürdig aufgeführt und einen derartigen Unsinn
über Monster und dergleichen erzählt, daß er sich
aufgeregt und sie kurzerhand auf ihre Zimmer geschickt hätte.
Der Unsinn – aber entpuppte sich nun auf eine tragische Weise
als Wahrheit! Sie schlagen blindlings zu. Sie kennen keine
Gefühle. Es kommt ihnen nur darauf an, Angst und Entsetzen und
den Tod zu verbreiten, sofern sie dazu die Macht haben. Und diese
Burschen haben die Macht! Sie brauchen gar nichts zu tun… Es
reicht schon, wenn sie sich sehen lassen. Ich gehe davon aus,
daß die Zwillinge in jedem Punkt die Wahrheit sagten. Karli
Butscher sprach davon, daß er in der alten Poststation Licht
gesehen hätte. Haben Sie nicht behauptet, dort lebe
niemand?«
»Sie gehört jemand. Aber derjenige lebt
woanders.«
»Ich sehe mich dort um, und ich hoffe nur, daß die
Zwillinge nicht auf die faule Idee gekommen sind, auf eigene Faust
etwas zu unternehmen.«
*
Er ließ das Fernglas sinken.
»Ich kann nichts sehen. Wir müssen näher ran«,
wisperte Karli Butscher.
Der Junge und seine Schwester lagen auf dem rauhen Boden, genau
hinter einer Buschgruppe. Die alte Poststation lag jenseits der
kurvenreichen Straße auf einer leichten Anhöhe. Dahinter
stieg das bergige Land stärker an.
»Das Licht ist auf alle Fälle noch da. Vielleicht haben
sich darin noch mehr versteckt.« Karlis Augen waren
unablässig auf das alte, blatternarbige Gebäude gerichtet,
dessen Fenster rundum durch grüngraue Läden verschlossen
waren.
Fanny kaute auf ihrer Unterlippe.
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