Macabros 018: Knochentunnel in das Grauen
verlieren. Er wußte Bescheid.
»Es ist Pepe!« Kurzentschlossen ging er an dem
Polizisten vorbei.
»Moment, da können Sie nicht durch!«
»Doch, ich kann.«
Da erst sah der Uniformierte, daß Björn auf die
dünkelhäutige Schönheit zustrebte.
»Sie kennen den Jungen? Sind Sie der Vater?«
»Nicht ganz. So etwas Ähnliches. Ich erkläre Ihnen
das später.« Mit diesen Worten war er bei Carminia.
»Wie ist es passiert?«
»Wir wissen es nicht. Rani ist oben.«
»Bleib hier! Ich seh’ mal nach.«
Er rannte die terrassenähnlichen Stufen empor.
Von Mahay erfuhr Björn den vermutlichen Hergang.
»Es gibt keine andere Möglichkeit: er wollte unbedingt
wissen, was in den Löchern ist. Jetzt haben wir die
Bescherung«, murrte Mahay. Der Inder war ratlos.
Pepe – unbesonnen? Björn fand, daß das nicht zu
dem Jungen paßte.
Er ging bis dicht an das Loch heran. Ein Mann machte sich gerade
fertig, abzuseilen. Die Tiefe hatte man inzwischen ausgelotet. In
zwanzig Meter war man auf festen Widerstand gestoßen. Nun
stellte sich die Frage, ob Pepe vielleicht bewußtlos in dieser
Tiefe lag – oder ob er von nachdringenden Gesteinsmassen noch
tiefer gerissen und verschüttet wurde.
Hellmark konnte über eine Frage zumindest für sich
sofort Gewißheit schaffen. Noch während sich der erste
Retter fertig machte, versetzte er seinen Zweitkörper nach unten
in den dunklen Schacht, den auch die aufgebauten, grellen Lampen
nicht bis in den letzten Winkel ausleuchten konnten.
Macabros stemmte sich mit Armen und Knien im Schacht ab, um zu
verhindern, daß er auf die Gesteinsbrocken zu stehen kam. Er
suchte den Boden ab und hoffte, auf etwas Weiches zu
stoßen.
Keine Spur von Pepe!
Seine Sorgen wuchsen…
Die alarmierten Rettungsmannschaften machten sich ihre Aufgabe
nicht leicht. Der Leiter der Einsatzgruppe hatte wenig Hoffnung,
ließ aber nichts unversucht und kam auf die Idee, auch die
angrenzenden Schächte zu inspizieren und nach einer
Möglichkeit zu suchen, in den großen Stollen vielleicht
von der Seite her einzudringen.
Während diese Aktionen liefen und Björn und Rani Mahay
sich aktiv daran beteiligten, wurden erste Versuche unternommen, die
Gesteinsbrocken aus dem Stollen zu entfernen, um den Jungen oder
dessen Leiche zu bergen.
Und mit jeder Minute, die verstrich, wurden die Aussichten, ihn
lebend zu finden, geringer…
*
Er stöhnte leise und versuchte sich zur Seite zu drehen.
Sein Kopf dröhnte, sein Bein schmerzte.
Er richtete sich auf und stieß mit der Stirn gegen etwas
Hartes.
»Aua!« knurrte Pepe, schüttelte sich und tastete
nach der Beule, die auf der Stirn entstand. Dann fiel ihm alles
wieder ein, und Panik erfüllte sein junges Herz.
Er war in den Schacht gefallen und saß nun hier unten
fest.
Gefallen?
Nein! Er war gezogen worden… Ganz deutlich hatte er es
gemerkt.
Niemand meldete sich auf sein Rufen.
Er merkte, daß es ihm schwerfiel zu atmen. Über ihm
mußte viel Gestein liegen, und es wurde ihm flau im Magen, als
er sich vorstellte, daß er vielleicht mitten im Stollen in
einer Art Luftblase eingeschlossen war. Die geringste Bewegung konnte
die Steine ins Rutschen bringen.
Pepe geriet in Schweiß, als er nur daran dachte. Ganz
vorsichtig versuchte er seine Lage zu verändern. Er tastete mit
seinen Händen in die Dunkelheit und stellte fest, daß er
mehr Bewegungsfreiheit besaß, als er zunächst gedacht
hatte. Pepe konnte es riskieren, in die Hocke zu gehen.
Eine Seite seines Körpers fühlte sich an, als gäbe
es dort nur blaue Flecken.
Der Junge hörte leises Wispern, und mit einem Mal entdeckte
er, daß an einer Stelle sein unheimliches Gefängnis gar
nicht geschlossen war.
Der Boden, auf dem er hockte, führte links leicht bergab, wie
eine Rutsche.
Von dort kamen Geräusche. Sie hörten sich an wie leise
Schritte oder leise Stimmen.
Pepes Herz machte vor Freude einen Sprung.
Man suchte ihn! Von den Seitenstollen kamen Retter!
»Hier!« rief er. »Hier bin ich.«
Er atmete schnell, und sein Puls raste.
Niemand antwortete ihm. Die anderen waren noch zu weit entfernt,
sie hörten ihn nicht. Warum aber konnte er sie dann
hören?
Vorsichtig rutschte er auf die schiefe Ebene.
Er geriet an einen Abgrund und drehte sich auf den Bauch, um
festzustellen, wie tief der nachfolgende Untergrund war.
Pepe konnte ihn mit den Fingerspitzen erreichen, wenn er sich weit
genug nach vorn beugte.
Sanfter Nebel stieg ihm entgegen und hüllte sein Gesicht ein,
als
Weitere Kostenlose Bücher