Macabros 020: Die Blutgärten von Sodom
Lannerström
heulte fast, aber Angst schwang in seiner schluchzenden Stimme mit.
»Wie kann ich das je wiedergutmachen?«
Er bereute seine Tat und bot ein Bild des Elends und des
Mitleids.
»Es ist nie zu spät für einen neuen Anfang«,
murmelte Hellmark, wandte ihm sein Gesicht zu und musterte den alten
Mann mit traurigem Blick. »Sie haben getötet. Freiwillig?
Hat man Sie dazu gezwungen, waren Sie nicht Herr Ihrer Sinne? Das
Letztere mag wohl auf Sie zutreffen. Sie waren nur ein Werkzeug und
haben gehandelt, ohne es vielleicht zu wollen. Es zeigt sich immer
wieder: Hände weg von okkulten Dingen! Denn ganz unschuldig sind
Sie auch nicht, Herr Lannerström. Sie haben damit begonnen, Sie
haben den Weg geebnet.«
Er nickte. »Ich weiß, ich weiß…«
Alan Kennan kam nun auch in den Kultkeller, in dem sich die Kraft
der Dämonen ausgewirkt hatte. Der junge Mann mit den ernsten,
dunklen Augen und den vollen Lippen blickte sich irritiert um. Sein
Traum kam ihm wieder in den Sinn.
»Ich habe das Auge in einem Netz gesehen…« murmelte
er.
»Und es stimmte.« Björn wandte ihm den Blick
zu.
»Und trotzdem war es anders. Das Netz lag im
Fluß.«
Konnte dieses Netz in dem trüben Wasser nicht nur symbolische
Bedeutung gehabt haben? Kennan glaubte es nicht. Er mußte es
besser wissen. Er kannte seine Träume und wußte über
deren Klarheit und Symbolgehalt Bescheid.
»Und am Fluß unten ist auch etwas passiert«, fuhr
er tonlos fort.
Der Angriff auf Hellmark alias Macabros! Die
Lichterscheinung…
»Wir werden es noch mal genau untersuchen«, sagte
Björn. »Hier können wir vorerst doch nichts mehr tun.
Wir besorgen uns ein Boot und suchen mit langen Stangen jene Stelle
im Fluß, die Sie so eindrücklich im Traum gezeigt bekamen.
Sie haben das Auge dort gesehen, Alan. Aber es war nicht dort
gewesen, sondern hier. Dennoch scheint dies ein Zeichen zu sein, das
wir nicht einfach unbeachtet lassen sollten. Etwas sollte uns gezeigt
werden. Und es hat mit dem Auge des Schwarzen Manja zu tun. Manchmal
muß man verschlungenen Pfaden folgen, um schließlich doch
noch zum Ziel zu gelangen, Alan.«
*
Sie verließen das Haus des Schweden und ließen den
alten Mann nachdenklich und ernst zurück.
Mit dem Alleinsein kam die Angst.
Er mußte an die Stimme des Unheimlichen denken.
Er hatte versagt. Diesmal endgültig. Eine weitere Chance
räumte man ihm nicht ein.
Er mußte fliehen. Jetzt waren Hellmark und Alan Kennan nicht
mehr im Haus.
»Fliehen?« fragte da die Stimme, und ein ironisches
Lachen folgte den Worten.
Lannerström zuckte wie unter einem Peitschenhieb zusammen. Er
warf den Kopf herum.
»Wo bist du?« fragte er entsetzt. Er konnte den Sprecher
nirgends entdecken. Warum konnte sich die schreckliche Stimme immer
noch melden, auch wenn das magische rote Auge nicht mehr vorhanden
war?
»Ich bin hier«, sagte die furchtbare Stimme des
Dämons.
Lannerström blickte sich gehetzt um. Die Stimme schien von
überall her zu kommen. Aus der Decke, aus den Schränken aus
den Wänden.
Dieses furchtbare Lachen! Wie Gift sickerte es in seine Poren.
Und wieder der Gedanke an Flucht…
Aber das Unsichtbare wußte über seine Gedanken
Bescheid. Nichts entging ihm.
»Im tiefsten Dschungel, im fernsten Winkel der Erde
würde ich dich finden, Thor Lannerström!«
Schweiß perlte auf seiner Stirn. Der Schwede atmete schnell
und flach.
Die Türen flogen zu, die Fenster. Er war in seinem eigenen,
kostbar eingerichteten Haus eingesperrt wie in einer Mausefalle.
»Alan!« brüllte er. »Herr Hellmark!«
»Erst wolltest du sie töten – und nun rufst du sie
um Hilfe, Lannerström? Ist das nicht merkwürdig? Nennt ihr
Menschen das nicht charakterlos?« Die kalte, unpersönliche
Stimme trieb ihn zum Wahnsinn.
»Ihr habt das von mir verlangt! Ich wollte es
nicht!«
Er wich zurück, fühlte die Wand in seinem Rücken
und blickte sich ruckartig mit fiebrig glänzenden Augen um.
»Du wolltest es nicht? Das ist mir neu. Freiwillig hast du
alles getan. Du hast kassiert. Nun kommt die Endabrechnung,
Lannerström! Und diesmal kassiere ich!«
Das Lachen dröhnte durch das ganze Haus, und der Schwede
preßte die Hände an die Ohren.
Die Stimme kam von rechts.
Thor Lannerström warf rückartig den Kopf herum.
Er sah Kharzum zum erstenmal und erschauerte bis in die Tiefe
seiner Seele.
»Ich bin gekommen, ein Versprechen einzulösen. Ich will
dich abholen…«
*
Das flache Boot glitt genau über die Stelle,
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