Macabros 024: Marionetten des Schreckens
seinem Gott ein Opfer
darbringen«, murmelte Krentzer.
»Oder ihm einen Besuch abstatten«, warf Sindom ein.
»Wie kam er dann hier runter? Ob er jedesmal den Seiltrick
anwandte wie wir?« Strauß drehte sich unwillkürlich
um und warf einen Blick zu den baumelnden Seilen zurück.
»Ein bißchen abschüssig die Strecke.«
»Vielleicht gab’s mal ne’ Art Rutschbahn oder
’ne Treppe.« Sindom atmete tief durch. Die Beklemmung war
verschwunden, die Nähe seiner beiden Begleiter tat ihm wohl.
Wie Kinder, die ein seltenes Tier im Zoo bewunderten, umrundeten
sie die gewaltigen steinernen Zeugen einer dämonischen
Vergangenheit. Angst schlich in ihre Herzen, aber keiner gestand es
dem anderen ein.
Sie diskutierten noch über den seltsamen Ort und bezeichneten
ihn als eine Art Opferstätte oder Tempel, fanden jedoch keine
genaue Erklärung.
Sie machten Skizzen und Aufnahmen.
Dann tat Krentzer etwas, was Sindom ausdrücklich verboten
hatte.
Er begann eine der Gesteinsfiguren abzutasten, um die
Oberfläche zu fühlen und sich eine Meinung darüber zu
verschaffen.
Walter Sindom wußte selbst nicht, warum er auf den Gedanken
gekommen war – zunächst jedenfalls, solange man noch nichts
Näheres über diesen mysteriösen Ort wußte –
die Dinge zu berühren.
Ein unerklärliches Gefühl hielt ihn davon ab.
Auf der einen Seite wie magnetisch davon angezogen,
unterließ er es jedoch selbst.
Krentzer wurde schwach.
Und da geschah es!
Ein dunkelroter Feuerstrahl zischte aus dem breiten Maul.
Ein Aufschrei!
Sindom und Strauß flogen wie Bälle durch die Luft, die
von titanenhafter Hand geschleudert wurden.
Der Feuerstrahl hüllte den unglücklichen Krentzer jedoch
völlig ein.
Der menschliche Körper explodierte unter der Wucht des
Feuerstrahls förmlich. Der Kopf und der Rumpf platzten
auseinander, staubfeine Partikel flogen durch die Luft und wurden vom
Feuer gefressen.
Krentzer fiel zu einem winzigen Häuflein Asche zusammen. Eine
brüllende Flammenhölle stieg wie eine Säule aus dem
Rest dessen, was er gewesen war, empor und vermählte sich mit
dem gewaltigen, breit gefächerten Strahl aus dem Maul des
mittleren, furchteinflößenden steinernen Giganten.
*
Sie selbst begriffen nichts mehr und nahmen nichts mehr wahr.
Sindom wurde nach links geschleudert, die Hitzewelle traf sein
Gesicht und ließ seine Haare schmoren. Aber selbst davon merkte
er nichts mehr, ebensowenig wie Strauß.
Reglos und mit schlaffen Gliedern blieben beide liegen.
*
Die Musik war einschmeichelnd, die Klänge gingen ins
Blut.
Die Paare auf der Tanzfläche paßten sich dem Rhythmus
und der Stimmung an. Sie tanzten sehr eng.
»Willst du mich erdrücken?« murmelte Carminia
leise. »Vergiß nicht, wo wir sind! Jedermann kann uns
beobachten.«
Der kräftige blonde Mann mit den breiten Schultern und den
schmalen Hüften lächelte. Er trug einen weißen
Smoking, perfekter Sitz, dazu passend eine dunkle Fliege.
Björn meinte leise: »Hier achtet keiner auf den anderen.
Bei dem Andrang! Da merkt niemand mehr, wer wen eigentlich
drückt.«
Es war ihr erster Abend auf der »Aloha«. Das Schiff war
am frühen Morgen von Honolulu ausgelaufen. Mit
Blumenkränzen geschmückte Hawaiianerinnen hatten am Strand
gestanden, bei Hula-Musik in Baströckchen und miniknappen
BH’s getanzt und gewunken, bis das Schiff zu einem kleinen
weißen Fleck am Horizont geworden war.
Es war der Begrüßungsabend des Kapitäns, zu dem er
geladen hatte.
Rund vierhundert Menschen waren auf dem Schiff zusammengekommen.
Viele machten zum ersten Mal eine Seereise, für andere war es
schon Alltag geworden. Reiche Nichtstuer, amerikanische
Millionäre, die mit ihrer Zeit nichts anzufangen wußten
und zwischen einem Sonnenbad am Strand von Waikiki und einer
Kreuzfahrt zu den Galapagos hin- und herpendelten, waren unter
einfachen Leuten, die lange für eine solche Reise gespart
hatten.
Engländer und Franzosen bevölkerten die
»Aloha«, ebenso wie Deutsche Hawaiianer, Angehörige
aller Nationen. Von dem sehr großen Tanzraum aus, in dem auch
die Combo saß, gab es rund an den Wänden entlang kleine
weißgedeckte Tische mit romantischen roten, blauen und gelben
Lampenschirmen.
Björn tanzte etwas am Rand.
Er kam am Tisch vorbei, an dem Pepe und Rani Mahay saßen.
Der kleine Mexikaner trug einen dunklen Anzug und eine grauseidene
Krawatte. Manchmal griff er sich an den Kragen.
Björn grinste. »Am liebsten wäre er hier in Pulli
und Blue jeans
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