Macabros 027: Totenbarke nach Xantilon
So stellte er es dar, und es klang glaubwürdig. Er
konnte seinen Zuhörer überzeugen.
»Sie sind in diese Welt gekommen, um Veränderungen zu
unterbinden«, sagte er abschließend mit heiserer Stimme.
»Dazu haben sie kein Recht. Sie sollen diese Welt kennenlernen
– mit allen ihren Schrecken. Wenn sie weiterleben, Apron Kaa,
wird das schlimmer für sie sein als der Tod. Damit wirst du sie
nur erlösen. Tue es dann, wenn du den Zeitpunkt für
gekommen hältst!«
»Ich muß nachdenken, Kima.«
Sekunden verstrichen und wurden zu Minuten. Kima kam es vor wie
eine Ewigkeit.
»Dein Plan gefällt mir. Er ist gut. – Hast du noch
weitere Wünsche?«
»Noch einen einzigen. Verrate mir, wie ich mir die
Unterirdischen Untertan mache! Die bisherigen Versuche sind
vielversprechend gewesen. Kennst du das Geheimnis der
Unterirdischen?«
»Ich versuche es zu ergründen. Wir werden später
darüber sprechen, später, wenn alles vorüber ist, wenn
ich die Gewißheit habe, daß du kein falsches Spiel
treibst, wenn meine Hilfsgeister mir mitteilen, daß das
Zeitschiff, von dem du sprichst, wirklich unbenutzbar ist.«
Apron Kaa erhob sich. Er war ein großer, hagerer Mann mit
ernstem Gesicht und tiefliegenden Augen. Seine helle Haut kam unter
der vorgezogenen schwarzen Kapuze kaum zur Wirkung. »Ich habe
mich in die Einsamkeit zurückgezogen, um in Ruhe die Zeit
abzuwarten, die einen Wendepunkt in der Geschichte der Insel
darstellt. Alle reden von Untergang. Das ist Unsinn! Xantilon wird
nie untergehen. Die Weißen Priester haben dieses Gerücht
in die Welt gesetzt, um die Angst zu schüren. Sie sehen ihre
Macht und ihren Einfluß schwinden. Das ist die Wahrheit. Immer
mehr erkennen es auch. Nun gehörst auch du dazu, Kima, und es
ist gut, daß du den Weg zu mir gefunden hast, daß du
nicht, wie du es ursprünglich vorhattest, den blinden Propheten
aufgesucht hast. Hör mir gut zu! Ich werde dir genau sagen, wie
du weiter vorgehen wirst.«
*
»Da drin scheint es spannend zuzugehen«, meinte Pepe
unvermittelt. »Er hat uns doch versprochen, daß wir alle
das Haus betreten würden.«
»Nur nicht nervös werden, müder Krieger«,
schaltete Björn Hellmark sich ein. »Wir sind hier nicht auf
Marlos und nicht in Genf, wo du machen kannst, was du
willst.«
»Kann ich nicht«, maulte der Vierzehnjährige,
bückte sich und hob einen abgebrochenen Ast auf, von dem er
langsam die Blätter abriß. »Überall Verbote und
Vorschriften!«
»In Genf vielleicht noch, auf Marlos schon nicht mehr. Dort
gibt es doch keinen Winkel, den du noch nicht erforscht
hast.«
Ein richtiges Gespräch kam nicht auf. Selbst mit Scherzen
wollte es zwischen den Freunden nicht so recht klappen.
Es war, als ob die Beklemmung, die in der Atmosphäre lag, auf
ihr Gemüt wirke.
Die Abwesenheit Kimas kam ihnen vor wie eine Ewigkeit, dabei waren
noch keine zehn Minuten vergangen, als er wieder zurückkam.
Arson hatte die Zeit genutzt, und sich in der Umgebung umgesehen,
als würde er nach Amina und Taaro Ausschau halten, als
spüre er deren Nähe.
Als Kima und der hagere Mann in dem dunklen Gewand, auf einen
Stock gestützt und die Kapuze weit nach vorn gezogen aus dem
Innern des Hauses traten, eilte er schnell aus dem Dunkel herbei und
wollte dabei sein, wenn der Prophet seine Aussagen machte.
Kima hielt den alten Propheten an der Hand.
Das Gesicht des Mannes wurde von der Kapuze so stark beschattet,
daß die Wartenden nichts vom Antlitz wahrnehmen konnten.
»Ich kann euch nicht sehen«, sagte der Ankömmling
mit ruhiger Stimme. »Aber Kima hat mir gesagt, daß ihr zu
viert seid. Euer Wunsch ist es, nach Xantilon zu kommen. Ihr
wißt, daß dort Verwirrung und Ratlosigkeit herrschen. Die
Propheten haben schlimme Zeiten vorausgesagt. Es ist nicht gut, den
direkten Weg nach Xantilon zu wählen. Wilde Horden lagern am
Wegrand, die Kugelköpfe lauern den Reisenden und den Kriegern
auf, die es dennoch riskieren, auf direktem Weg nach dort zu kommen.
Ich habe die Geister und Elemente befragt und habe die Auskunft
erhalten, daß es gut wäre, das Reich der Toten zu
passieren, in dem die gefallenen Krieger ihre Seelen stärken, um
zu neuen Taten gerüstet zu sein. Die Zeit, daß die Alten
und Jungen wiederkehren, die einst in den Geburtstagen Xantilons die
Dämonen und bösen Geister vertrieben, ist gekommen. Die
Fahrt der Totenbarken steht unmittelbar bevor. Nutzt die Fahrt der
Barken! Jeder Fährmann wird euch dankbar aufnehmen, wenn er
erfährt, daß
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