Macabros 027: Totenbarke nach Xantilon
angeboten, sie in das Reich der Toten zu bringen, damit sie von
dort aus nach Xantilon eingeschleust werden können. Ich
möchte mich von ihnen trennen.«
»Warum?«
»Ich will es dir anvertrauen: Ich glaube, ich weiß,
weshalb sie hierher gekommen sind. Sie wollen den Ablauf der Zeit
verändern. Ich habe sie ausgehorcht.«
Kima sah, wie die dunkle Gestalt hinter dem Tisch sich leicht
reckte.
»Den Ablauf der Zeit verändern?« Der Schwarze
Priester betonte jedes Wort. »Beschreibe mir die Fremden, die du
begleitet hast! Ist ein Mann darunter, der groß und blond ist
und ein Schwert trägt?«
Die Frage war so gezielt gestellt, daß Kima förmlich
erschrak.
»Ja«, sagte er schnell, ohne sich seine Worte zu
überlegen.
Apron Kaa, der Schwarze Priester, zuckte ebenfalls sichtlich
zusammen.
»Die Propheten«, sagte er schließlich leise,
»die Propheten haben ihn seit Jahrhunderten angekündigt. In
ihren Weissagungen sprechen sie davon, daß eines Tages ein
mutiger Kämpfer kommen wird, der mit einem magischen Schwert
ausgestattet ist. Er wird unbesiegbar sein, wenn man seine Wege nicht
stört.« Seine Worte klangen wie das Zischen einer Schlange,
und der Glanz in seinen Augen verstärkte sich. »Niemand
vermochte bisher zu sagen, wann dieser Zeitpunkt sein wird. Die Alten
sprachen immer nur von ›in unseren Tagen nicht‹. Damit
meinten sie ihre eigene Zeit. Der geheimnisvolle Fremde ist
aufgetaucht. In den Prophezeiungen heißt es, daß niemand
wisse, woher er komme. Er kommt aus einer anderen Zeit, sagst du? Der
Blick in die Zukunft ist uns verwehrt, auch mit einem noch so
mächtigen Zauber haben wir es bisher nicht fertiggebracht zu
sehen, was sein wird. Deshalb galt unser Streben nur einer einzigen
Sache: Unsterblichkeit zu erlangen, um die Generationen zu
überdauern, die Entwicklung zu beobachten und zu beeinflussen.
Ich bin nur einer der wenigen, die bereit waren, das alte Wissen und
den alten Glauben preiszugeben, um mich dem Neuen zuzuwenden. Dieses
Neue nun soll gefährdet sein – jetzt, in diesen Tagen, wo
Entscheidungen von allergrößter Wichtigkeit getroffen
werden?«
»So sieht es aus«, murmelte Kima. Er merkte, wie die
Innenseiten seiner Hände feucht wurden. Erregung stieg in ihm
auf. Jetzt kam der Augenblick der Entscheidung. Jetzt mußte er
am Ball bleiben. Er wußte, daß jetzt eine ganz bestimmte
Frage folgte.
Und sie kam…
»Du kommst hierher und teilst mir diese Dinge mit. Das
geschieht nicht umsonst. Was erwartest du dir von deinem Hinweis,
Kima?«
»Ich habe mehrere Wünsche…«
»Du bist unverschämt!«
»Ich bin es nicht, wenn du die volle Wahrheit erfährst,
Apron Kaa. Die Macht der Schwarzen Priester wächst. Aber selbst
ihr und die Dämonen, mit denen ihr euch eingelassen habt, sind
nicht imstande, die Rückkehr der Fremden in allen Stufen dieser
wichtigen Zeit zu verhindern. Nur ich vermag es. Das Zeitschiff ist
derart gesichert, daß kein Dämon eindringen kann, keiner,
der sich den Geistern und Dämonen verschrieben hat. Das ist
nicht der Fall bei mir. Ich kann eindringen und die Armaturen
zerstören. Das Zeitschiff wird unbrauchbar sein, und die
Ankömmlinge werden in dieser Zeit gefangen sein, ohne die
Hoffnung auf Rückkehr.«
*
Welch teuflischer Plan war da in seinem Hirn gereift!
Er schämte sich und vertrieb die Gewissensbisse, die sich
bemerkbar machten.
Ich tue es nicht um meinetwillen, versuchte er sich einzureden.
Ich tue es für Xantilon, für die Menschen dieser Insel!
Aber davon sagte er nichts.
Der Schwarze Priester musterte ihn, und Kima hatte das
Gefühl, als seziere der Geist des dämonengebundenen Mannes
sein Bewußtsein und erforsche dort seine Gedanken.
»Und was ist dein Preis?«
»Weiht mich ein in das Geheimnis, das ihr entdeckt habt! Gebt
mir das Ewige Leben!«
»Das ist kein Problem. Weitere Wünsche?«
»Ja. Laßt mich wissen, was ihr mit den Fremden
vorhabt.«
»Du interessierst dich für ihr Schicksal?«
»Ja.«
»Ich werde sie töten.«
»Sofort?«
»Ja.«
»Ich halte das nicht für gut. Gönne ihnen keinen
schnellen Tod. Laß sie leiden – laß sie einzeln
sterben – nacheinander!«
»Warum, Kima?«
»Ich will mich rächen an ihnen. Sie sind schuld am Tod
meines Meisters.«
»Was ist geschehen? Laß es mich wissen!«
Kima berichtete vom Auftauchen der Fremden, die ein wichtiges
Ritual gestört hatten. Die angerufenen Geister, die Schatten der
Unterirdischen, waren enttäuscht worden und hatten sich
gerächt.
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