Macabros 029: Marabur - Herr der Wahnsinnshallen
das Land flach ab.
Velena lief immer schneller. Björn Hellmark trieb den Hengst
an.
Ein seltsam klagender, langgezogener Ton lag in der Luft,
hüllte seinen Schädel ein und verursachte einen Druck auf
seinem Gehirn, daß er glaubte, dort bewege es sich und
lebe!
Die Pfeife Maruburs?
Ja! Es war Nacht, und die hypnotisierenden Töne schwangen wie
eine klagende, seufzende Melodie durch die Finsternis und
beeinträchtigten seinen Geist und seinen Willen.
Ein verzückter Ausdruck trat in die Augen des Reiters. Er sah
die hohen Mauern, hinter denen Dinge passierten, wovon kein Mensch
Genaues zu berichten wußte. Geisterhaftes Licht lag wie eine
flimmernde Aura über dem gesamten Komplex.
Die Mauern und das, was dahinter lag, kamen ihm vor wie ein
Paradies, das er unbedingt erreichen mußte.
Aber in der Tiefe seines Bewußtsein rührte sich etwas
und warnte ihn.
Kecals Worte kamen ihm wieder in den Sinn.
Und das, was Velena selbst zu ihm gesagt hatte, ergänzte die
Worte des Toten.
Wenn Maruburs Pfeife lockte, dann waren sie verloren. Es
mußte ihnen gelingen, die gefährliche Situation zu
meistern.
Den Wüstenvampiren waren sie entkommen. Keiner folgte ihnen
nach, nirgends mehr tauchten sie auf, und es war, als ob die
Dünen die Grenzen seien, über die hinweg sie sich nicht
getrauten, um nicht auch den Verlockungen zu erliegen. Oder die
Vampire waren wie Hetzhunde, die die Opfer durch die Schlucht
trieben, und sich dann nicht weiter um sie kümmerten, weil sie
genau wußten, daß es aus dieser Falle für keinen
mehr einen Ausweg gab.
Die Vampire leisteten die Vorarbeit, den Rest besorgte dann
Marubur.
Hellmark schüttelte sich wie ein Hund, als er merkte,
daß der Ton der Pfeife wieder in ihn drang, und als er sah,
daß auch Laerte ihre Hände hob und verzweifelt an die
Ohren preßte. In der allgemeinen Verwirrung und der
Aufmerksamkeit, die er den Dingen entgegenbrachte, erkannte er jedoch
nicht das Täuschungsmanöver der Veränderten. Laerte
tat so, um zu zeigen, daß auch sie die hypnotisierenden
Töne vernahm, daß sie darunter litt, um keine Fragen
aufzuwerfen, um nicht aufzufallen.
Hellmarks starker Wille drängte sich wieder vor und versuchte
die Einflüsse zurückzuwerfen.
Er registrierte, daß Velena wie von Furien gehetzt auf das
eine Tor zulief.
»Velena!« brüllte er, und sein Ruf hallte durch die
Weite der Wüste, war klar und deutlich.
Aber sie die wieder ihre Mädchengestalt angenommen hatte,
wandte nicht den Kopf und reagierte überhaupt nicht.
In Björn Hellmarks Kopf dröhnte es. Ein
Schwindelgefühl ergriff ihn, daß er glaubte zu schweben.
Er vergaß, wo er sich befand und was er wollte, und war nur von
einem Drang besessen: so schnell wie möglich die Pforte ins
Paradies zu erreichen. Hinter ihm lag die heiße, staubige
Wüste. Hier vorn würde er entschädigt.
Aber das war doch Unsinn!
Noch mal schüttelte er die Benommenheit ab – und
erinnerte sich… In seiner Tasche steckten die magischen
Wachskugeln, die Kecal ihnen anvertraut hatte.
Insgesamt waren es acht Stück für den Fall, daß er
welche verlieren sollte.
Er brauchte nur sechs. Er besaß noch alle.
Blitzschnell kramte er die fleischfarbenen Kügelchen aus
seiner Hosentasche. Eines rollte dabei in der Eile durch seine Finger
und sank in den Wüstensand.
Er riß Laertes Hände von den Ohren, und ehe sie
begriff, worum es eins, stopfte er ihr die Wachskugeln hinein. Er
selbst tat das gleiche. Sekundenbruchteile später.
Sofort spürte er die Wirkung.
Der klagende, seufzende Klang, die auf und ab schwellende Melodie,
wurde leiser, verebbte und war nur noch ein leises fernes Rauschen,
das er kaum mehr wahrnahm.
Er merkte daß die Kügelchen in seinen Ohren sich durch
die Körperwärme ausdehnten, daß sie sich bewegten wie
selbständige Lebewesen und den Gehörgang vollends
ausfüllten.
Die magischen Kugeln aber vermochten noch mehr, als ihn nur von
den hypnotisierenden Einflüssen der Marubur-Pfeife zu bewahren.
Er merkte, daß alle anderer Geräusche erhalten blieben,
daß er das Schnauben ebenso vernahm wie die knirschenden
Schritte der fliehenden, auf den Bogengang zueilenden Velena.
Sie war jetzt nur noch drei oder vier Schritte davon entfernt.
Yümaho preschte los. Er jagte auf das gleiche Tor zu.
Aber der Vorsprung, den die Tochter des Magiers inzwischen
gewonnen hatte, war nicht mehr aufzuholen.
Velena stürmte durch die Pforte.
*
Da war auch Björn Hellmark heran.
Eine Handbreit vor dem
Weitere Kostenlose Bücher