Macabros 030: Tempel der Versteinerten
sie getan
hatte, konnte er nicht anerkennen. Aber er würde sich dem Druck
der Beweise, die sie lieferte, nicht widersetzen können.
Sie taumelte durch den Hof. Mit jedem Schritt, den sie machte,
fürchtete sie, hinzufallen und sich dann nicht mehr aufrichten
zu können.
Jetzt, wo sie sich intensiv bewegte, merkte sie, wieviel
Elastizität sie eingebüßt hatte.
Und es schien ihr, als würde es mit jedem Schritt, den sie
machte, schlimmer.
Auf diese Weise würde sie unendlich lange dazu brauchen, zu
dem Versteck zu kommen, wo sie ihren Triumph-Vitesse für alle
Fälle untergestellt hatte. Nun kam doch alles ganz anders wie
geplant…
Der Austin Jane Goodwins stand vor dem Eingang. Er war nicht
abgeschlossen, und der Zündschlüssel steckte. Die
vertrauensselige Frau hatte es hier nicht für nötig
gehalten, den Wagen zu sichern.
Gedanke und Tat waren eins.
Clea riß die Tür auf und klemmte sich hinter den
Fahrersitz. Jane Goodwin brauchte diesen Wagen nicht mehr, ihr aber
leistete er gute Dienste.
Sie startete ziemlich heftig. Der Wagen machte einen Satz nach
vorn, und der feine Kies wurde von den durchdrehenden Rädern in
die Luft gewirbelt.
Clea Malcolm hatte kein Gefühl für das Gaspedal. Schwer
wie ein Stein lag ihr Fuß darauf.
Sie preschte durch das Tor, hinaus auf den Pfad und fuhr irrsinnig
schnell durch den Wald. Sie warf einen Blick in den Rückspiegel,
wo Tor und Haus zurückfielen. Sie sah aber nicht die Bewegung
oben am Fenster.
Dort stand Lee Batskill. Es war ihm gelungen, die kippende Statue
vorsichtig auf die Seite zu legen und der Gefahr, von ihr begraben zu
werden, zu entgehen. Er war zum Fenster geeilt, und seine Hände
ballten sich erregt zu Fäusten, als er sah, wie das Auto hinter
den Baumreihen verschwand.
»Du wirst mir nicht entkommen«, stieß er hervor.
»Dann wärst du die erste!«
Abrupt wandte er sich ab und lief in den kleinen Tempel, den er zu
Ehren Aikontaks errichtet hatte. Mit zitternden Fingern zündete
er Räucherstäbchen an, sprach immer wieder den Namen der
Göttin aus und steckte die Stäbchen dann in die acht
Hände der Skulptur.
Dumpfklingende Laute drangen aus seiner Kehle, und die
Atmosphäre in dem düsteren Mini-Tempel verdichtete sich
spürbar. Die Temperatur fiel, und Batskill fröstelte. So
intensiv, so erregt hatte er die Beschwörungsformeln, die einen
Menschen durch den Klang der Worte erschauern ließen, ohne
daß er überhaupt den Text verstand, noch nie
ausgesprochen.
Er wiederholte die Worte fortlaufend, und der Schweiß
tropfte von seiner Stirn. Die Räucherstäbchen verbreiteten
einen schweren, betäubenden Duft, und in dem dämmrigen Raum
schien mit einem Mal etwas zu erwachen, worauf er schon viele Jahre
wartete.
Batskill fühlte förmlich, daß etwas in seiner
Nähe war, was zuvor nie dagewesen war. Er spürte die
Gegenwart – von etwas Fremden, etwas Unfaßbarem.
»Ich habe dir treu gedient. Mein Wunsch war es, dich zum
Leben zu erwecken, um das Geheimnis des Universums, das Geheimnis von
Leben und Tod, von dir zu erfragen!« Seine Stimme klang wie ein
Hauch, und diese Worte sprach er jetzt in Englisch aus. »Willig
hast du meine Opfer angenommen. Du hast sie zu Stein werden lassen,
wie vor vielen hunderttausend Jahren. Du selbst aber hast mir nie
gezeigt, daß es mir gelingt, deine Gunst zu erringen. Jemand
hat mich beobachtet. Zwanzig Jahre fast ist es mir gelungen, das
Geheimnis um dein Wirken und dein Wollen zu verheimlichen. Ein
Außenstehender weiß nun Bescheid. Verhindere, daß
er von dir erzählt! Laß auch diese Frau, die ich nicht
aufhalten konnte, die ich nicht hierhergebracht habe, zu Stein
werden. Aikontak – erhöre mich, um deinetwillen, um
meinetwillen!« Er lauschte dem Klang seiner eigenen Stimme und
hielt den Atem an. Er hörte sein Herz pochen und fühlte die
Kälte, die ihn einhüllte, daß er meinte, von einer
Eiswand umgeben zu sein. »Aikontak – hol dir das Leben
jener Frau, die alles zunichtemachen kann, wenn sie darüber
berichtet! Dann wird dieses Haus der großen Ruhe mit Hektik und
Leben erfüllt sein, und die Stunde, auf die ich warte, wird nie
kommen. Verzeih meine Oberflächlichkeit und meinen Leichtsinn.
Ich hätte es nie dazu kommen lassen dürfen, daß hier
jemand eindringt, den ich nicht selbst hergebeten
habe…«
Die Luft um ihn herum vibrierte, und Batskill hatte das
Gefühl, ein unsichtbarer Flügel streife seine Schulter.
Etwas war in Bewegung geraten. Die Räucherstäbchen
glühten mit
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