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Macabros 031: Der Schreckliche aus dem Totenbrunnen

Macabros 031: Der Schreckliche aus dem Totenbrunnen

Titel: Macabros 031: Der Schreckliche aus dem Totenbrunnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Shocker
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Freunde folgten erst weit hinten.
    „Vielleicht hätten wir uns eher kennenlernen sollen,
Señor“, begann Manolito unvermittelt und wandte sein
Gesicht dem Mann aus München zu. „Es wäre von Vorteil
für Sie gewesen.“
    „Hm, schon möglich. Mir scheint, du kennst die
Wälder hier besser als die anderen.“
    „Nicht nur das. Ich weiß auch, wo der Brunnen liegt,
den Sie suchen.“
    Eine Bombe, in seiner unmittelbaren Nähe explodiert,
hätte keine größere Wirkung haben können. Olsen
hatte das Gefühl, der Boden würde ihm unter den
Füßen weggerissen.
    „Sie… wissen… wo…“, stammelte er.
    Manolito nickte. „Ja. Ich war schon dort. Es ist so, wie Sie
vermuten: kein Weißer hat ihn je gesehen. Er wurde weder von
den Spaniern im sechzehnten Jahrhundert gefunden, noch zu irgendeinem
späteren Zeitpunkt entdeckt. Er ist noch sehr gut erhalten. Aber
er liegt nicht an jener Stelle, wo Sie ihn suchen, Señor. Sie
haben sich wieder verrechnet. Wir müssen uns eine Meile weiter
westlich halten.“
    „Manolito…“, entrann es Olsens Lippen, und er war
nicht fähig, mehr zu sagen. Es war unfaßbar! Da
quälte er sich jahrelang, wälzte seltene Bücher,
suchte nach Aufzeichnungen, stellte Überlegungen und
Berechnungen an, glaubte hinter etwas gekommen zu sein, was andere
bisher übersehen hatten – und dann kam einer daher, der
einfach sagte, er wisse genau, wo sich das befand, was er suchte!
    „Wenn das wahr ist, Manolito…“
    „Es ist wahr, Señor. Welchen Grund sollte ich haben,
Sie zu belügen? Was ich sage, entspricht der Wahrheit. Sie
werden es sehen und erleben – und Sie werden noch mehr
erleben!“
    Olsen wurde hellhörig. Die leise Warnung in Manolitos Tonfall
entging ihm nicht. „Was willst du damit schon wieder sagen,
Manolito?“
    „Ich will damit sagen, daß Sie erleben werden, wie Ihre
Träger Sie im Stich lassen. In dem Augenblick, da Sie erkennen,
wohin die Reise wirklich geht – werden sie Sie im Stich lassen,
Señor!“
    Olsen verhielt im Schritt. Was Manolito da von sich gab, war
ungeheuerlich. „Kannst du in anderer Leute Köpfe sehen.
Manolito?“ fragte er gepreßt.
    „Vielleicht. Señor, vielleicht kann ich das. Nur ich
werde bei Ihnen bleiben – denn ich habe keine Angst.“
    Olsens Lippen umspielten ein Lächeln. „Nun, das ist
wenigstens etwas.“
    „Sie nehmen mich nicht ernst.“
    „Wie könnte ich das?“
    „Sie werden noch froh sein, daß ich bei Ihnen bin, wenn
keiner mehr geblieben ist. Denn Sie werden es nicht wagen,
zurückzukehren, wenn Sie erkennen, daß Ihre Träger
ausgerückt sind. Für Sie gibt es nur eines: sie müssen
vorwärts kommen, und Sie werden in den Urwald eindringen.
Zurück können Sie nicht so schnell…“ Und dann
änderte sich seine Stimme. Er senkte sie und wechselte auch die
Sprache. Plötzlich redete er Olsen nicht mehr spanisch, sondern
englisch an, und der Deutsche meinte, seinen Sinnen nicht mehr trauen
zu können. „… weil Sie in dem Land, aus dem Sie
gekommen sind, nur Unannehmlichkeiten erwarten. Sie haben einen Mord
auf dem Gewissen, Mister Olsen!“
     
    *
     
    War es die vierte oder die fünfte Nacht, die er bereits auf
dem Schiff verbrachte?
    Der blonde Mann, der auf dem Schiff in der Vergangenheit stand,
wirkte im wahrsten Sinn des Wortes wie eine Erscheinung aus einer
anderen Welt, als er sich gegen die Reling lehnte, das
männlich-markante Gesicht der lauen Luft entgegenstreckte und in
die Nacht hinausstarrte.
    Schlaff hingen die Segel an den Masten. Die Luft schien
stillzustehen. Seit zwei Tagen ging kein Wind mehr.
    Anfangs nahm Björn Hellmark das mit stoischer Gelassenheit
hin. Auch mit solchen Dingen mußte man schließlich
rechnen. Aber je länger es dauerte, desto skeptischer wurde er,
und er fragte sich, ob die Situation naturgegeben war oder von den
Feinden, die in diese Welt eingefallen waren, provoziert wurde?
    Mächtige Dämonen, ob sichtbar oder unsichtbar, lauerten
überall. Sie, die in der Lage waren, die Natur zu vergewaltigen,
die Himmel und Erde aufreißen konnten, die glutflüssiges
Magma aus der Tiefe riefen – für sie war es eine
Kleinigkeit, den Wind zu töten, damit dieses Schiff antriebslos
wurde.
    Je mehr er darüber nachdachte, desto wahrscheinlicher
erschien ihm diese Möglichkeit.
    So dicht waren sie an die Küste des Landes Milachoot
herangekommen, und doch war es für sie noch unendlich weit.
    Er wandte sich um.
    Auf Deck herrschte Stille, obwohl er nicht allein hier oben
weilte.

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