Macabros 031: Der Schreckliche aus dem Totenbrunnen
nun seine Suche viel zu spät, und sie wurde immer weiter
hinausgezögert durch die unerfreulichen
Wetterverhältnisse.
Aber genau das konnte Absicht sein!
Wenn Mahay wirklich noch lebte, wenn ihm wider Erwarten durch Mut
und Geschick bei jedem Angriff, jeder Auseinandersetzung der Sieg
zugefallen war, dann konnte er sich in der Tat noch in dem
großen Nordzipfel der Insel aufhalten. Die Dämonenmaske
war eine wirkungsvolle Waffe, aber trotz dieser Tatsache war man mit
ihr nicht völlig sicher.
Hinterlist und Tricks konnten dazu führen, daß Mahay
der Maske verlustig ging, daß er sie vielleicht sogar
zufällig verlor und seine ihn beobachtenden Widersacher nur auf
diesen Augenblick warteten, um dann über ihn herzufallen. In
diesem Fall würde sein Leben zu einer einzigen Tortur werden
– oder es war schon zu Ende.
Die Unruhe, die ihn auch gestern erfüllte, ergriff wieder
Besitz von ihm.
Hellmark ging auf und ab, und seine Schritte dröhnten auf den
Planken. Er kam bis zum Bugspriet, blickte in die Nacht und nahm die
dunklen, fernen Umrisse am Horizont wahr.
Xantilons Küste! Dort hinten – noch mindestens zwei
Tagereisen entfernt – begann das Land Milachoot.
Zwei Tage? Oder waren es mehr? Wenn der Wind nicht aufkam, konnten
leicht vier, sechs oder acht Tage vergehen, ohne daß etwas
Entscheidendes geschah; für den Fall, daß die bösen
Geister dieser Welt hier manipulierten, mußte er damit rechnen,
daß dann noch etwas Schlimmeres folgte.
Für Mahay – oder für die Männer auf diesem
Schiff und für ihn…
Er konnte nicht mehr länger warten!
Er preßte die Lippen zusammen, und sein Gesicht wirkte wie
aus Stein gemeißelt.
„Vonx“, sagte er leise zu dem Lautenspieler, der sich
neben ihn gestellt hatte.
„Ja, Kaphoon?“
„Beschreibe mir Milachoot, wie du es zuletzt gesehen hast!
Beschreibe mir eine ganz bestimmte Landschaft!“
Vonx seufzte. „Soll ich dir nicht lieber von Milachoot
berichten, wie es mal aussah?“
„Nein! Ich will wissen, wie es jetzt aussieht.“
„Es werden keine erfreulichen Bilder sein, die ich dir
beschreibe, Kaphoon.“
„Das habe ich auch nicht erwartet. Die Zeiten sind nun mal
nicht erfreulich.“
„Der Himmel dort, der zu den klarsten und seidigsten
Xantilons zählte…“
„Wie es jetzt ist, Vonx! Keine Stimmungsmalerei aus
vergang’nen Zeiten…“
„… der Himmel dort ist jetzt grau wie Blei, und die
Wolkenberge, die sich auftürmen, sind bizarr und scheinen aus
richtigen Felsen zu bestehen, die jeden Augenblick mit
Donnergetöse auf die Erde stürzen können… die
Landschaft ist öde und leer, kraterübersät, so
daß man meint, auf dem Mond zu sein. Das menschliche Leben dort
– ist verschwunden. Ungetüme – Totenvögel und
Erdwürmer – fristen ihr aasiges Dasein und warten nur
darauf, bis Verzweifelte nach Milachoot kommen, damit sie diejenigen
greifen können. Die Wesen aus einem anderen Raum und einer
anderen Zeit dringen wie durch Risse und Spalten in dieses Universum
und ergreifen von Xantilon Besitz. Die Küste, als ich sie zum
letzten Mal sah, war noch einigermaßen erträglich. Doch
die sanften, bewaldeten Hügel, die großen, schillernden
Blüten, existierten auch da schon nicht mehr. Rauhe, öde
Erdhügel zogen sich wie eine ins Riesenhaft
vergrößerte Kette am Strand entlang und wurden dichter,
bizarrer und kahler, je mehr es ins Landesinnere ging…“
Er schilderte mit eindringlicher Stimme und so genau, daß
Björn sich die Kulisse vorstellen konnte.
Und das war wichtig für ihn.
Er wollte einen Versuch unternehmen.
Nicht der erste dieser Art. Bereits in der letzten Nacht probierte
er seinen Zweitkörper Macabros entstehen zu lassen. Es war ihm
gelungen, ein schwaches Abbild zu produzieren, das nur wenige hundert
Meter von ihm entfernt auf dem Wasser schwebte.
Er hatte gemerkt: es fällt mir noch schwer, die Energie zu
sammeln, um meinen Zweitkörper weiter fortzuschicken und mit ihm
die Küstenlandschaft zu erkunden. Zuviel Kraft hatten ihn seine
Abenteuer gekostet. Erst hier auf dem Schiff war er zur Ruhe
gekommen, aber die Zeit der Erholung war zu kurz, als daß er
seinen Organismus schon wieder strapazieren konnte.
Doch instinktiv fühlte er, daß es falsch war, noch
länger zu warten. Er mußte etwas unternehmen, koste es,
was es wolle.
Er atmete tief durch, vernahm weiter die ruhige Stimme Vonx’
und konzentrierte sich ganz auf das, was der Lautespieler
berichtete.
Er entspannte sich vollkommen, und tiefe
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