Macabros 034: Galeere des Grauens
durch geistige Kraft ihre Körper versetzen
und die Erdgebundenhalt aufheben. In einer anderen Nacht kam der
geheimnisvolle Vogel wieder und Cavhs erhielt als Geschenk der
Götter einen Stein, den er gut aufbewahren und nie in falsche
Hände geraten lassen sollte.
Der heilige Vogel, dessen Name nur Cavhs vertraut war, kam dann
niemals wieder.
Als für Cavhs die Stunde gekommen war, das Volk, das er
lehrte, zu verlassen, ließ er den heiligen Stein
zurück.
Das alles ging Lavan durch den Kopf, als er jetzt den Tempel
betrat. Überall brannten Fackeln und Feuerstellen, um die die
zwergenhaften Männer und Frauen saßen, die für diese
Welt soviel bedeuteten. Sie lächelten, als Lavan und Amana
kamen, aber sie stellten keine Fragen. Vom Tempel aus bückte man
in die Wohnhöhlen, die sauber und einfach eingerichtet
waren.
Mittelpunkt der Tempelhöhle bildete eine etwa fünfzig
Meter hohe Statue, die einen riesenhaft vergrößerten
Kaythen-Mann darstellte.
Es war die Statue des legendären Cavhs.
Zu seinen Füßen standen immer flache Schalen und
kostbar verzierte Behälter, in denen verdampfende
Flüssigkeiten und Kräuter dargeboten wurden. Kostbare
Wohlgerüche erfüllten die Luft. Tief atmete Lavan sie ein,
und es war ihm, als schwebe er auf Wolken.
Er wollte noch etwas sagen, aber in diesem Moment trat das ein,
was er erwartet hatte, worauf er jedoch jetzt nicht gefaßt
war.
Der posthypnotische Befehl überflutete sein Bewußtsein,
so daß er augenblicklich in tiefen Schlaf fiel.
Er sank auf der Stelle, an der er gerade stand, nieder. Drei
Kaythen sahen ihn stürzen, eilten auf ihn zu und fingen ihn
auf.
Mit sparsamen Gesten und Worten gab Amana ihnen zu verstehen, was
sie tun sollten. Sie trugen ihn in eine mit weichen Stoffen
ausgepolsterte Nische unmittelbar neben der Riesenstatue, die segnend
ihre Hände über die kleinen Menschen hielt.
Amana beugte sich über den schlafenden Lavan und ließ
ihre Finger zärtlich über das müde und abgekämpft
aussehende Gesicht gleiten.
»Er trägt das Geheimnis, das uns alle angeht, bei sich.
Er wird sich erinnern«, murmelte sie im Selbstgespräch vor
sich hin. Zwei Kaythen-Männer, die abwartend neben ihr standen,
nickten bedächtig. Aber in Wirklichkeit begriffen sie gar nicht,
worum es hier ging. Sie waren wie in Trance, und es hatte keinen
Sinn, sie aufzuklären. Etwas war mit ihnen geschehen. Wo des
Rätsels Lösung lag, wußte auch sie nicht. Aber als
zauberkundige Weißmagierin war ihr zumindest nicht die
Fähigkeit abhanden gekommen, eine Gefahr als solche zu erkennen
und sich darauf einzustellen. Nur mit schwachen Mitteln hatte sie
bisher gegen das ankämpfen können, was den Kaythen
zugefügt worden war. Mit Hilfe des magischen Stabes, den sie nun
endgültig verloren hatte, war es ihr von Zeit zu Zeit gelungen,
die Dämonenmannschaften unter Führung des grausamen und
schrecklichen Ganthur-Vo zu täuschen. Im magischen Rauch waren
Bilder aufgetaucht, die die Dämonen in die Irre geführt
hatten. Die Ankömmlinge suchten oft stundenlang vergebens in
abgelegenen Stollen und Gewölben, ehe die magischen Kräuter
vergingen und sie den richtigen Weg fanden. Sie hatte das, was
geschehen würde, mit Hilfe ihrer Magie lediglich hinausschieben,
aber nicht verhindern können.
Das war keine Lösung auf Zeit gewesen.
Nun war Lavan gekommen. Sie war dem Schicksal dankbar, daß
er sie ihre Bahn kreuzen ließ.
»Es kann sich noch etwas verändern, wenn er sich
rechtzeitig genug an seinen Auftrag entsinnt und die Mission, die ihm
aufgetragen wurde, erfüllen kann. Es gibt eine Hoffnung…
großer Cavhs, laß’ alles gut werden, schenke uns die
Zeit, die wir benötigen, um des Rätsels Lösung zu
finden! Ich bin nur eine deiner bescheidenen Dienerinnen… nie
haben wir um etwas gebeten und waren stets zufrieden mit dem, was
war. Es geht um den Fortbestand dieser Welt. Wenn die Götter uns
noch gnädig gesinnt sind, sollen sie dieser kleinen Gruppe die
Chance geben, die wir brauchen, um weiterbestehen zu können.
Erinnere dich, Lavan, erinnere dich schnell! Hoffentlich dauert dein
hypnotischer Schlaf nicht so lange, bis Ganthur-Vo…«
Sie brach abrupt ab.
Es waren harte, rauhe Schritte, die sich näherten.
Sie warf den Kopf herum und sah auf dem Hauptweg die bizarren,
abstrusen Gestalten. An ihrer Spitze der Skelett-Admiral
Ganthur-Vo.
Amanas Herzschlag stockte.
Langsam sank ihr Kopf auf die Brust.
Zu spät! schrien ihre Gedanken. Lavan ist zu spät
gekommen.
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