Macabros 035: Mirakel, Mann der Geheimnisse
zu
erzählen.
Frank faßte sich kurz. Felkmann hörte aufmerksam zu.
Dabei blickte er seinen jugendlichen Besucher mehr als einmal von der
Seite her an, als wolle er sich das Aussehen dieses sympathischen
jungen Menschen ein für allemal einprägen, als gäbe es
da etwas Besonderes in diesem stillen, ovalen Gesicht, das er
erforschen müsse.
Dr. Felkmann öffnete die Tür zum Behandlungsraum, in dem
er alles für die Sitzung vorbereitet hatte.
Die breite, fast weiße Couch kannte er schon. Sie nahm eine
Wandseite fast völlig ein.
In Höhe des Kopfendes stand ein bequemer Sessel. Wenn man auf
der Couch lag, blickte man in die Richtung des großen Fensters,
das zum Garten führte. Dieses Fenster war verhangen.
Es herrschte gedämpftes Licht im Raum.
Frank Morell atmete tief durch. Es war das zweite Mal in seinem
Leben, daß er auf der Couch Dr. Felkmanns Platz nahm. Das erste
Mal lag etwa ein halbes Jahr zurück, aber es schien ihm, als
wäre es erst gestern gewesen.
»Nun erzählen Sie mir erst mal Ihre Träume, Herr
Morell…«
Frank nickte und begann zu berichten.
*
Die Bernhardinerhündin drehte sich einmal um ihre eigene
Achse und wollte sich dann offensichtlich vor der Tür
niederlassen, um von hier oben den Hauptweg und einen Teil des
Gartens zu überblicken.
Die Straße lag ruhig.
Es tropfte von den Bäumen.
Plopp… plopp… plopp machte es rhythmisch in das
Regenfaß, das an einem Ende der Villa an der Ecke stand.
Die Hündin hielt in der Bewegung inne und legte den
schönen, massigen Kopf ein wenig schräg. Die großen
Ohren hoben sich ein wenig an.
Es schien, als ob Cora die Luft ausginge.
Ein tiefes, leises Knurren kam aus ihrem Rachen.
Die Bernhardinerhündin hob den Kopf und starrte in den
dunklen Park, der die Villa umgab.
Coras Knurren verschärfte sich, und sie lief langsam die
Sandsteinstufen hinab.
Sie hatte die Witterung von etwas Fremdem aufgenommen…
*
Felkmann unterbrach seinen Besucher nicht ein einziges Mal. Er
hörte sich alles ganz genau an und machte Notizen.
»Wir werden das tun, was wir das letzte Mal auch schon taten,
Herr Morell«, sagte der Psychiater, nachdem Frank geendet hatte.
»Ich werde Sie erneut in Tiefenhypnose versetzen. Ich sagte
Ihnen das letzte Mal schon, daß es mit Ihren Träumen etwas
Besonderes auf sich hat. Es werden Erlebnisse frei aus dem
Unterbewußtsein. Sie fangen an, sich an etwas zu erinnern.
Viele Menschen haben ähnliche Träume – Träume vom
Fliegen zum Beispiel. Die meisten denken mal darüber nach und
sprechen gelegentlich auch mit Bekannten oder Freunden darüber.
Dann ist das meistens auch für diese Leute schon wieder
vergessen. Sie aber machen sich Gedanken darüber und sehen die
Dinge zusätzlich in einem größeren
Zusammenhang…«
»Das heißt: ich bin krank, ich bin nicht ganz normal.
Ich habe demnach einen Komplex und werde mit irgend etwas nicht
fertig.«
»Sie werden mit irgend etwas nicht fertig, ich glaube, das
trifft die Sache am ehesten. Das andere will ich nicht gehört
haben Herr Morell. Sie sind so normal wie jeder andere Mensch, oder
eben auch nicht.
Was bedeutet ›normal‹? Man hat für irgend etwas ein
bestimmtes Maß, einen bestimmten Grenzwert festgesetzt. Machen
Sie sich keine Sorgen um Ihren Geist! Der ist in Ordnung. Sie
unterscheiden sich nur in einem, Herr Morell, von zahllosen anderen:
sie erinnern sich an etwas ganz Bestimmtes und können mit der
Flut der Information doch nichts anfangen. Deswegen haben Sie sich an
mich gewandt. Dieser Schritt war richtig. Sie hatten davon gelesen,
daß in der Hypnose das Unterbewußtsein freigelegt wird.
Sie haben davon gelesen, daß Menschen sich in einer bestimmten
Form der Hypnose an ein vergangenes, früheres Leben entsinnen.
Dieser Gedanke der einst belächelt wurde, ist heute zum
Allgemeingut geworden. Ich habe damals schon eine diesbezügliche
Andeutung gemacht, und es hat Sie nicht erschreckt. Ich habe Sie
seinerzeit darüber informiert, daß wir eine bestimmte Zeit
verstreichen lassen, ehe wir uns wiedersehen.«
Frank nickte. »Aber es waren nicht nur die Träume, deren
Inhalt ich begreifen wollte. Es gab da noch mehr. Sie
wissen…«
»Ja, ich weiß. – Die Vorstellung, daß Sie
Geistererscheinungen hätten, quälte Sie. Nun, Ihr erster
Unfall war für Sie der erste Beweis. Diesmal kam es zu einem
erneuten Anschlag auf Ihr Leben. Klarer und eindeutiger als zuvor,
und es gibt sogar Zeugen. Das Fahrzeug war leer. Ein Mensch kann
Weitere Kostenlose Bücher