Macabros 035: Mirakel, Mann der Geheimnisse
Puls.
Der schlug ganz ruhig und gleichmäßig. Es lief bis jetzt
alles normal. Und es lief weiterhin so.
Felkmann ging fünfzig und hundert Jahre zurück,
zweihundert… zweihunderfünfzig…
Weiterhin Dunkelheit, Leere und Stille in Morells
Bewußtsein.
Felkmann nannte das Jahr 1629, als es wie ein Ruck durch Frank
Morells Körper ging.
*
Schweiß perlte auf Morells Stirn. Sein Atem flog.
»Was tun Sie?« fragte Felkmann sofort.
»Ich sitze auf einem Pferd… ich reite… ich habe es
sehr eilig…« Morell sagte es auf französisch.
Auf der Stirn des Hypnotiseurs entstand eine steile Falte.
»Wie heißen Sie? Wieso sprechen Sie
französisch?« Felkmann beherrschte die Sprache
ebenfalls.
»Je suis Calmus… Jacques Calmus…«, erklang es
akzentfrei aus dem Mund des Frankfurters. »Warum ich sollten
nicht sprechen Französisch?« fügte er gleich darauf
radebrechend in Deutsch hinzu. »Schließlich ich bin
Franzose… komme aus Paris… habe lange Voyage hinter
mir…«
Kurt Felkmann und Arnold Mass wechselten einen schnellen
Blick.
»Es ist alles viel klarer als damals«, wandte der
Hypnotiseur sich flüsternd an den Freund aus München.
»Bei der ersten Sitzung kündigte sich die Sensation schon
an.«
»Und da hast du so lange gewartet, bis du das zweite Treffen
durchführst?« fragte Mass verwundert.
Der Psychiater nickte. »Aus gutem Grund. In seinem Interesse.
Er hat schon mal gelebt. Wir waren über diesen Punkt seiner
Existenz als Calmus schon hinausgekommen. Es gab da einige
interessante Ausführungen, die er allerdings nicht klar
präzisieren konnte. Ich hoffe, daß das heute weitaus
besser wird. Denn die größte Sensation, Arnold, steht uns
noch bevor. Er hat nämlich schon mal existiert, aber nicht als
Mensch – sondern als ein anderer… als ein
Dykte…«
*
Arnold Mass sah seinen Freund an, als hätte der Psychiater
den Verstand verloren. »Ein Dykte? Was ist denn das? Das hab ich
noch nie gehört.«
»Kann ich mir denken«, erwiderte Kurt Felkmann mit
geheimnisvollem Lächeln. »Ein Dykte ist ein
Mensch…«
»Und warum nennst du ihn dann Dykte?«
»Das will ich dir erklären: weil er nicht auf der Erde
geboren ist. Dieser Mann, der da auf der Couch liegt, hat schon mal
in einer anderen Welt gewohnt, die irgendwo in der Tiefe des
Universums um eine fremde Sonne kreist, oder besser gesagt: kreiste,
denn der Planet ging unter. Die Stadt, in der Morell einst lebte,
hieß Tala-Mar…«
Da schlug draußen zum ersten Mal der Bernhardiner an.
*
»Was ist denn mit dem Hund los?« fragte Mass
verwundert.
Cora bellte heftig. Man hörte es bis in den letzten Winkel
des parkähnlichen Gartens. Sie bellte vier-, fünfmal, dann
herrschte wieder Ruhe.
»Ah, das ist nichts«, winkte Felkmann ab. »Da wird
mal wieder ein Eichhörnchen durch den Garten hopsen, und schon
spielt sie verrückt.«
Er wandte sich wieder dem Hypnotisierten zu.
Morell keuchte.
»Wieso können Sie mich verstehen, Monsieur? Ich rede Sie
doch Deutsch an?«
»Ich verstehe Deutsch sehr gut… habe einen deutschen
Freund. Der ist geflohen, den suche ich jetzt auf. Es ist wichtig, er
hat eine Botschaft für mich…«
Morell atmete schnell. Seine Augen bewegten sich hin und her, als
beobachte er ständig seine Umgebung.
»Wer ist dieser Freund. Monsieur?«
»Johann Fürchtegott Kellermann…«
»Wer ist das?«
»Er ist verrufen als Magier und Zauberer. Er ist geflohen
nach Frankreich… nach Valon… im Wald von Valon wollen wir
uns treffen. Häscher sind ihm noch immer auf den Fersen… er
fürchtet sich vor ihnen… hat aber Hoffnung, ihnen wieder zu
entkommen… er will zurückkehren in seine Heimat?«
»In der Nähe von Frankfurt…«
»Weshalb ist er geflohen?«
»Man will ihn hinrichten. Die Zeit ist schlimm… man
beschuldigt ihn, mit Hexen gemeinsame Sache zu machen… er hat
behauptet, es gäbe keine Hexen, hier würden Verbrechen
unter dem Deckmantel des Glaubens begangen… er selbst verhalf
vielen zur Flucht… er ist ein mutiger Mann… er hat viele
schwere Folterungen überstanden…«
»Woher wissen Sie von Kellermann, Monsieur Calmus?«
»Ich habe über diese wunderbaren Forschungen und
Kenntnisse von Zigeunern gehört. Da habe ich mich mit ihm in
Verbindung gesetzt. Ich befasse mich mit wissenschaftlichen
Versuchen… ich glaube, von Kellermann einiges lernen zu
können.«
»Haben Sie keine Angst vor der Begegnung?«
»Nein.«
»Aber wenn man Sie bei ihm entdeckt, wird
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