Macabros 035: Mirakel, Mann der Geheimnisse
man auch Sie
hängen oder verbrennen oder zu Tode foltern, weil man der
Meinung sein wird. Sie gehören zu ihm. Sie seien sein
Jünger…«
»Schon möglich. Aber ich werde vorsichtig
sein.«
»Was will Johann Fürchtegott Kellermann Ihnen mitteilen,
Monsieur? Haben Sie eine Vorstellung davon?«
»Ich ahne etwas, ja. Er glaubt, in mir einen Mitstreiter
gefunden zu haben. Ich stehe dem Zeitgeist ebenfalls entgegen. Es
gibt keine Hexen! Hier wurde ein künstlicher Wahn
hochgezüchtet. Man bringt Menschen zu Tode, um sich in den
Besitz ihres Eigentums und ihrer Ersparnisse zu setzen. Die Richter
und Häscher, die Räte, Bürgermeister und Henker werden
reicher durch das unschuldig vergossene Blut der angeblichen Hexen!
Es gibt sie nicht – nicht in der Form jedenfalls, wie man das
von ihnen behauptet. Wenn es Hexen gibt, dann haben sie sich unter
die Menschen gemischt, eine Satansbrut, die nicht von dieser Welt
stammt, nicht sterblich ist. Die zu Hunderttausenden auf den
Scheiterhaufen lodern aber sind keine Hexen, wären sie es,
wüßten sie ein Mittel gegen das Grauen, das sie ertragen
müssen.«
»Dann ist demnach ein Magier und ein Zauberer wie Kellermann
einer zu sein scheint, auch kein Mensch?«
»Doch, er ist einer. Er versteht die Sprache der Sterne.
Daraus bezieht er sein Wissen.«
»Was sehen Sie, Monsieur? Beschreiben Sie die Umgebung, durch
die Sie reiten.«
Morell schilderte den dichten, dunklen Wald. Er benutzte einen
schmalen Pfad. Es war Nacht. Das Blätterdach über ihm war
so dicht, daß er das Funkeln der Sterne nicht mal wahrnahm.
»Was für einen Monat haben wir, Monsieur?«
»Es ist später August. Die Nacht ist warm.«
Morell warf plötzlich den Kopf herum. Ein überraschter
Ausruf in Französisch entrann seinen Lippen.
Er streckte die Rechte aus, als wolle er jemand
zurückstoßen. Sein Linke zuckte zum Gürtel, als
könne er dort einen Degen oder einen Dolch herausziehen.
»Was ist los, Monsieur?«
»Ein Überfall! Wegelagerer! Sie haben mir aufgelauert,
werfen mich vom Pferd… Ich erreiche meinen Dolch nicht
mehr… sie durchbohren mich… aaahhh!« Er bäumte
sich auf, seine Augen weiteten sich, und kalter Schweiß trat
auf seine Stirn.
Totenstille.
Morells Pulsschlag beruhigte sich und wurde wieder ganz
normal.
»Was sehen Sie jetzt, Calmus?«
»Dunkelheit… wunderschöne Dunkelheit…
nichts… es ist nichts in ihr…«
Sein Leben als Calmus hatte ein abruptes Ende gefunden. Man hatte
ihn ermordet, auf dem Weg zum Freund, der Gefahren und Entbehrungen
auf sich genommen hatte, um ihm eine Botschaft zu
überbringen.
Felkmann führte Morells Geist noch mal in das Leben des
Jacques Calmus zurück, in die letzten furchtbaren Sekunden
dieses Lebens, ehe es zu Ende ging.
»Monsieur… Monsieur… können Sie mich
hören?«
»Ja«, antwortete Morell-Calmus mit erlöschender
Stimme.
»Können Sie Ihre Mörder beschreiben? Wie sehen sie
aus?«
»Dem einen… kann ich den Federhut vom Kopf
reißen… mon dieu!… was hat er für ein
schreckliches Gesicht… dieser Mund… ein Fischmaul…
diese Augen… sie treten aus den Höhlen hervor… sind
groß und rund… das ist kein Mensch… das ist kein
Men…«
*
Dr. Felkmann führte Frank Morell durch verschiedene Stufen
seines Daseins als Jacques Calmus. Einige interessante Details wurden
berichtet.
Dabei kam heraus, daß Calmus auch zu einem früheren
Zeitpunkt schon von Kellermann erfuhr. In seiner Erinnerung war der
Begriff »Mirakel-Stern« verankert. Felkmann wollte gern
mehr darüber wissen, doch Morell in seiner Rolle als Calmus
wußte nichts darüber.
Der Psychiater führte Morell schließlich über
seine Geburt als Jacques Calmus hinaus. Lange Zeit herrschte absolute
Dunkelheit und Stille. Schließlich kündigte sich eine neue
Existenz an. In schillernden Werten sprach Frank Morell als ein Mann,
dessen Namen er nicht nennen konnte, von einer Welt, die unirdisch
war, auf der aber Geschöpfe lebten, die wie Menschen aussahen.
Es waren die Dykten, jene fremde, geheimnisvolle Rasse, bei denen
Morells Seele zum ersten Mal bewußtes Leben erfuhr.
Es war eine besondere Art von Leben. Die Rasse, der er als Dykte
angehörte, stand mit den reinsten Kräften des Kosmos in
Verbindung. Es gab keine Sorge der Überbevölkerung, keine
Sorge um die Umweltverschmutzung keine Energie- und
Ernährungsprobleme, obwohl die Dykten eine sehr alte Rasse
waren. Sie hatten gelernt, ihren Organismus den Urkräften des
Kosmos
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