Macabros 035: Mirakel, Mann der Geheimnisse
genommen. Damit habe ich ihn
bedroht. Aber er hat sie mir aus der Hand gerissen und mich zu Boden
geschlagen. Es kam ihm darauf an, die Tonbandspulen an sich zu
nehmen. Dann ist er verschwunden. Er hat eine abstoßende Maske
aufgehabt. Herr Morell hat uns vorhin in Tiefenhypnose ein gleiches
Antlitz geschildert… grau. Fischmaul, hervorquellende, starre
Augen… das war er…«
»Ich verstehe nicht«, murmelte Frank.
»Aber ich glaube, ich fange an zu verstehen, Herr
Morell.« Dr. Felkmann atmete tief durch. Gemeinsam halfen sie
Arnold Mass auf die Beine. Dann blickte der freipraktizierenden
Psychiater den jungen Mann aus Frankfurt ernst an. »Ich will
Ihnen eine Eröffnung machen, Herr Morell. Es ist an der Zeit,
daß wir darüber sprechen. Es geht um Ihre Träume und
um das Phänomen ihrer beiden ersten Leben. Ja, Sie haben richtig
gehört. Es sind zwei Leben, die Sie hinter sich haben.
Ihr Dasein ist ein Mirakel und Sie selbst sind wie ein Mirakel.
Ihre Seele und Ihr Geist stammen nicht von dieser Erde. Und doch sind
Sie ein Mensch. In Ihrer zweiten Existenz als Jacques Calmus hofften
Sie einen Magier zu treffen, der aus dieser Gegend hier stammt, und
der die weite Reise nach Frankreich gemacht hatte, um Ihnen eine
wichtige Botschaft zu übermitteln. Doch es kam nie zu dem
Treffen zwischen Jacques Calmus und Johann Fürchtegott
Kellermann.
Jacques Calmus wurde von Räubern überfallen und
ermordet. Einen der Schergen konnten Sie beschreiben. Der gleiche
Mann der Ihnen als Jacques Calmus 1629 den Todesstoß versetzte
– ist nun wieder hier. Oder zumindest einer jener Sippe, die zu
der Kosmischen Gefahr gehört, zu jener widernatürlichen
›Macht des reinen Geistes‹, wie Sie es bezeichnet haben.
Ein Geist? Ein Dämon? Ich weiß es nicht.
Ich weiß nur eins, Herr Morell: die Anschläge auf Ihr
Leben sind kein Schicksal. Die merkwürdigen Unfälle sind
geplant. Johann Fürchtegott Kellermann war der Kenner einer
Botschaft, die Sie betraf. Durch Ihren Tod als Calmus kamen Sie nicht
an das Geheimnis heran, und Ihre Seele mußte abermals eine
Warteposition einnehmen, ehe sie in einem Körper wiedergeboren
werden konnte. Kellermann trug eine große Verantwortung. Sie
sahen ihn in Ihren Träumen. Es war die Rede von Valon. Aber
Valon war längst passe.
Kellermann kehrte nach Deutschland zurück. Hier wurde er
wegen Zauberei angeklagt und zum Tode verurteilt. Durch Zufall
stieß ich in einem Buch über Hexen- und Zaubererprozesse
auf seinen Namen. Kellermann starb am 3. Mai 1632. Hier im Taunus,
nur wenige Kilometer von der Saalburg entfernt auf einem bewaldeten
Hügel. Der zum Tod Verurteilte verlangte ausdrücklich, dort
zu sterben. Ich glaube… aus gutem Grund. Das Geheimnis, das er
mit ins Grab nahm – geht Sie noch heute an, Morell. Und es ist
kein Zufall, daß die Botschaft, die Ihnen zusteht, durch
Angriffe seltsamer Wesen, die Fahrzeuge steuern und sich dann in Luft
auflösen, die Sie hierher verfolgen und beobachten, die meinen
Hund fast zu Tode erschrecken und eiskalt hier eindringen, um
Unterlagen zu stehlen… daß diese Botschaft noch immer auf
Sie wartet. Hier im Taunus, in der Nähe von Bad Homburg –
vielleicht auf einem bewaldeten Hügel, auf dem Kellermann
starb…«
*
»Das Warten hat sich gelohnt, Wittert«, sagte Klaus
Harder. »Da kommt er.«
Mit ›er‹ war Peter Kröger gemeint. Der junge Mann
mit den langen, ungepflegten Haaren dem nicht minder ungepflegten
Vollbart, verließ gegen neun Uhr seine Wohnung.
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite stand der
dunkle Wagen, in dem die beiden Beamten saßen. Harder hatte
seit vierundzwanzig Stunden kein Auge zugetan. Die mysteriösen
Vorfälle hatten ihn herausgefordert. Hier gab es etwas,
daß er nicht verstand, das er aber verstehen mußte,
wollte er die Mordfälle plausibel erklären.
In einem wahren Marathonverhör hatte Harder an einem Tag
sämtliche Freunde, Bekannten und die Eltern der verschwundenden
Liane Martens vernommen. Dabei hatte sich eines herauskristallisiert:
Liane Martens war ein ungewöhnlicheres Mädchen, als
offenbar allgemein bekannt war. Sie interessierte sich für
Schwarze Messen und hatte vor über einem Jahr an einem Treffen
auf der Insel Man teilgenommen, wo sich eine sektiererische Gruppe
traf, die eine ähnliche Bewegung wie seinerzeit die
Hippie-Bewegung ins Leben rufen wollte.
Ihr ständiger Begleiter war der Frankfurter Peter Kröger
gewesen, der ein nicht ganz unbeschriebenes Blatt in der
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