Macabros 036: Gruft der bösen Träume
der
Freiheit, den Weg nach oben zu suchen. Aber keiner hat es geschafft.
Sie waren alle zu schwach und so blieb ihnen nichts weiter als die
Resignation. Aber du… du bist stark. Du könntest es
schaffen.«
»Gibt es einen Weg nach oben?«
»Ja.«
»Dann zeig ihn uns.«
»Unter einer Bedingung.«
»Und die lautet?«
»Nimm mich mit!«
»Das ist selbstverständlich, Bianca.«
Da tat sie einen Schritt auf ihn zu, und ehe er es verhindern
konnte, preßte sie ihm ihre heißen, feucht schimmernden
Lippen auf den Mund, und er spürte die erregende Wärme
ihres Körpers.
»Wir werden zusammenbleiben«, hauchte sie, die Arme um
ihn schlingend. »Das alles hier wird nichts weiter als ein
böser Traum gewesen sein. Laß mich nicht im Stich, bleib
immer bei mir…!«
Er sagte nichts dazu, um sie nicht zu enttäuschen.
»Wieviel Zeit haben wir noch?« fragte er schnell, um sie
abzulenken.
»Viel zu wenig, du hast recht. Wir dürfen nicht
länger warten.« Sie ließ seine Hand nicht los und zog
ihn mit. Leichtfüßig eilte sie vor ihm her. Cathy Francis
konnte kaum mithalten.
Es ging durch eine Vielzahl verwirrender Felskorridore. Sie
passierten Durchlässe, krochen durch niedrige Tunnel und rissen
das zarte, grünlichgraue Gewebe auseinander, das wie Spinnenetze
von den kahlen Gewölbedecken hing. Die Fasern klebten auch wie
Spinngewebe an ihrem Körper, behinderten sie jedoch nicht in
ihrer Bewegungsfreiheit.
Bianca sah schon nach kurzer Zeit aus, als ob sie ein hautenges,
halbdurchsichtiges Kleid trüge. Das Gewebe schmiegte sich an
ihre Beine und ihr Gesäß.
Der Weg durch das Labyrinth führte sie in eine Halle. Dort
sahen sie zum ersten Mal mehrere Menschen, die auf einer Art Moosbett
in Nischen lagen oder schliefen. Bianca gab Björn und Cathy zu
verstehen, daß sie sich äußerst ruhig verhalten
sollten, um die anderen nicht auf sie aufmerksam zu machen.
Das gelang ihnen.
Hin und wieder warf Björn einen Blick in eine Nische und
entdeckte dort jemand.
Plötzlich fuhr er zusammen.
»Stan!« sagte da im gleichen Augenblick Cathy Francis.
Sie mußte wie er denselben Gedanken gehabt haben.
Wenn der ›Dunkle Gott‹ zu bestimmten Zeiten die Fesseln
lockerte, dann mußte auch Stan Falkner jetzt frei sein.
Sie beobachteten aufmerksamer die Nischen, konnten ihn aber
nirgends entdecken. Dafür stießen sie auf jemand
anders.
Auf Eliza O’Donell!
Sie lehnte gegen die feuchtwarme Felswand in der Nähe einer
Treppe, zu der Bianca sie geführt hatte.
Die eingeschrumpfte Wirtstochter sah unverändert aus. Sie
atmete nicht, hatte die Augen niedergeschlagen und die dürren,
eingetrockneten Beine eingezogen. Sie hockte da wie eine
verdörrte Leiche.
Björn fuhr wie unter einem Peitschenschlag zusammen.
»Moment«, preßte er leise zwischen den Zähnen
hervor.
Das präparierte Holz, das er dem toten Rodney Lumnick aus der
Hand genommen hatte, befand sich noch in seinem Besitz. Rasch fuhr
seine Hand in die Hosentasche. Er hatte es nicht verloren.
Lumnick hatte gehofft, den schrecklichen Bann, der durch den
›Dunklen Gott‹ auf Eliza O’Donell übergegangen
war, mit diesem Präparat aufzuheben. Er hatte offenbar sehr
lange das Phänomen im Haus der O’Donells studiert, und
mehrere seiner Versuche waren fehlgeschlagen.
Auch das hier war wiederum nur ein Versuch, aber auf den wollte
Björn es ankommen lassen.
Er bückte sich und wußte nicht, ob besondere
Vorschriften notwendig waren, das Ritual durchzuführen, um die
Geisterkräfte zu bannen.
»Wir müssen gehen!« drängte Bianca. »Wenn
es erst dunkel wird, ist es zu spät.«
»Ja, sofort.« Björn steckte das zugespitzte Holz
kurzerhand in die harte, lederartige Schulter der reglos hockenden
Gestalt.
Es knirschte leise.
Dann geschah etwas Unheimliches…
Ein kaum wahrnehmbares Leuchten drang plötzlich aus dem
Körper, Funken sprangen knisternd über die Haut, und unter
dem hellen Schimmern besann die verhärtete Oberfläche sich
rasend schnell zu verändern.
Cathy Francis riß die Hand an die Lippen.
Björn hielt den Atem an. Nur Bianca schien von den
Ereignissen völlig ungerührt zu sein.
Erst viel später sollte Björn sich an diese Wahrnehmung
wieder erinnern.
*
Eliza O’Donell verwandelte sich.
Ihre Haut wurde jugendlich glatt, die welken Brüste wurden
straff und füllig, das Fleisch unter der Haut nahm an Volumen
zu.
Nur wenige Sekunden dauerte es, aus der untoten Wirtstochter
wieder eine lebendige zu machen. Das prachtvolle,
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