Macabros 036: Gruft der bösen Träume
zwanzig Meter…«
Das war zu verkraften. Aber was kam dann? Bis zum
nächstgelegenen Ufer waren es mindestens fünf Kilometer.
Bis dorthin schaffte es niemand. Die wahren Probleme taten sich nun
auf.
Bianca schien seine Gedanken zu erraten. »Unweit der Stelle,
wo die Nachtinsel aus dem Wasser steigt, gibt es eine
Felsenplattform. Es sind nur wenige hundert Meter, um nach dort zu
kommen. Dann allerdings weiß ich auch nicht, wie es weitergehen
soll. Vielleicht haben wir Glück, es ist ein Schiff oder Boot in
der Nähe, und man findet uns.«
Egal, wie es war.
»Wir müssen es tun«, sagte Björn und dachte
daran, daß es vielleicht doch noch eine Möglichkeit gab,
wie sie weiterkamen. Er wollte Macabros einsetzen, um Hilfe
herbeizuholen. Dabei setzte er voraus, daß er draußen
dazu imstande war.
Bianca stieg ins Wasser. Es reichte ihr bis zu den Knien.
Eliza O’Donell folgte wortlos dem Beispiel der anderen.
Auch Cathy kam. Um sie machte Björn sich die meisten
Sorgen.
»Geht es, Cathy?«
Sie nickte tapfer und blieb an ihrer Seite. Bianca tauchte unter,
schwamm unter der Felswand durch und dann schnell wie ein Fisch in
die Höhe.
Bis jetzt mußten sie eigentlich mit dem Ausgang des
Unternehmens zufrieden sein, fand Björn Hellmark. Es war zu
keinem unliebsamen Zwischenfall gekommen, der weitere Opfer und
Kräfte von ihnen gefordert hätte. Die Geschichte war bisher
verdammt glatt über die Bühne gegangen.
Zu glatt… mußte er sich im stillen sagen.
Er achtete auf Cathy Francis, war ihr behilflich und zog sie mit.
Mit weitaufgerissenen Augen starrte die junge Londonerin auf die
entschwindenden Beine vor ihr.
Björn tauchte unter der algenbesetzten Felswand durch. Wie
ein mächtiger Schatten lag der Wulst bizarren Gesteine über
ihm, und als Cathy Francis diese Stelle erreichte, wurde es ihr angst
und bange. Sie glaubte ersticken zu müssen, obwohl sie sich erst
wenige Sekunden unter Wasser befand.
Zurück, um abermals tief durchzuatmen, konnte sie nicht mehr.
Panik ergriff sie. Sie machte schnelle Schwimmbewegungen, war
nervös und verhielt sich völlig falsch.
Es kam ihr wie eine Ewigkeit vor, bis sie an der dunklen Wand
vorüber waren und die Oberfläche erreichten.
Endlich! Luft und Licht!
Das erste stimmte – das zweite nicht.
Der Himmel spannte sich dunkel über sie, und es gab
Björn einen Stich durch das Herz, als er es erkannte.
Finsternis! Das war die Stunde des ›Dunklen Gottes‹!
*
Bianca schwamm mit kräftigen Stößen durchs
Wasser.
»Mir nach!« rief sie. »Schnell!«
In der Dunkelheit sah er schemenhaft die Umrisse der kleinen
Felseninsel, von der die groß gewachsene Blondine ihnen
erzählt hatte.
Verzweifelt schwammen sie dort hin und erreichten erschöpft
das kahle Ufer.
Da war Bianca, da war Eliza… verhältnismäßig
frisch, als hätte ihnen die Belastung bisher nicht das geringste
ausgemacht.
Cathy Francis bekam kaum noch mit, daß sie von dem Deutschen
auf den rettenden Fels gezogen wurde.
Geschafft!
Sie hustete, hatte viel Wasser geschluckt und hob den Blick, um
Hellmark dankend zuzunicken. Da paarte sich die Erleichterung in
ihrem Blick mit Angst und Verzweiflung.
»Neeeiiin!« brüllte sie.
Hellmark flog herum.
Seine Nackenhaare sträubten sich.
Hinter dem Fels bäumte sich eine klebrige, unförmige
Masse auf und schwappte wie rohes Fleisch auf die kleine Insel.
Bianca und Eliza, die ihn breit angrinsten, als wüßte sie
genau Bescheid, wurden im gleichen Augenblick zu zwei
hochschwappenden, formlosen Wellen und stiegen steil empor wie zwei
Auswüchse des formlosen Titanen, um sie zu verschlingen!
*
Unverrichteterdinge kehrte der Inder in die Bucht zurück.
Ein Tag war vergangen. Seit den frühen Morgenstunden befand
er sich auf See und hatte mehrere Meilen abgerudert, ohne etwas zu
finden.
Der einzige Erfolg: er war auf das zweite Ruderboot
gestoßen, mit dem Björn Hellmark und Stan Falkner die
Verfolgung aufgenommen hatten. Bei seiner Rückkehr fand Rani es
von den Wellen in die Bucht getragen.
Der Inder war besorgt…
Kein Lebenszeichen von Björn! Keine Vorstellung, wo er sein
könnte, was geschehen war. Die Ungewißheit zerrte an
seinen Nerven.
Obwohl er den ganzen Tag noch keinen Bissen zu sich genommen
hatte, verspürte er nicht den geringsten Hunger. Er registrierte
lediglich ein Druckgefühl in der Magengegend. Die Sorge um den
Freund legte sich ihm auf den Magen.
Als er festen Boden unter den Füßen hatte, warf
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