Macabros 039: Im Verlies der Hexendrachen
Rücken dämonischer, geflügelter Wesen, die sie
über den Ort des Geschehens trugen. Auch die Figuren, die er vor
wenigen Augenblicken noch auf dem Kaminsims wahrnahm, hier waren sie
versammelt. Hier tollten sie mit herum.
Ein heftiges Flügelrauschen trieb die Flammen auseinander,
und Frandon meinte, den Schatten eines riesigen Vogels über der
fiebernden Landschaft wahrzunehmen, der den ganzen Himmel
verdeckte.
Die Flammen griffen nach ihm, loderten in seinem Innern auf und
spülten seine Leidenschaft empor wie der Orkan die
Flutwelle.
Frandon sah sich von Danielles nackten Armen umschlungen, von
ihren heißen Küssen auf das breite Bett
zurückgeworfen. Er fühlte den Druck ihres bloßen
Leibes auf seinem Körper, erwiderte ihre Küsse, ihr
zärtliches und zugleich immer begehrlicheres Streicheln.
Er verlor sich im Sinnesrausch – und riß sich dann doch
daraus hervor.
Teufelsbilder! Blendwerk!
Danielle – war eine Hexe. Sie wollte ihn vernichten, sie
brauchte ihn, seine Lebenskraft, und hatte ihn hierhergelockt auf das
verfluchte Schloß. Er war nicht freiwillig gekommen. Der
Gedanke an den schönen Körper der Nackten hatte ihn
hierhergeführt.
Er stieß Danielle de Barteaulieé zurück, lief
aus dem Raum in den Saal, wo die beiden anderen noch immer am Tisch
hockten, wo es in den Wänden, im Boden und in der Decke
knisterte und raschelte, als ob sich dahinter riesige Hohlräume
befänden, in denen sämtliche Ratten des Schlosses ihr
Unwesen trieben. Der Boden wankte unter seinen Füßen,
Wände und Decken verschoben sich, die beiden de
Barteaulieé hingen seltsam verzerrt in der Luft vor ihm. Der
Tisch schwebte einige Zentimeter über dem Boden, und auch
Danielle war wieder da, saß angezogen auf dem Platz neben ihm
und fiel ein in den rätselhaften, schauerlichen Gesang, unter
dem die Wände zu bersten schienen.
Harry Frandon verstand überhaupt nichts mehr.
Waren nur Bruchteile von Sekunden vergangen, Stunden oder Tage?
Jegliches Zeitgefühl war ihm abhanden gekommen.
Danielles Arme lagen wieder um seinen Hals. Sie hielt ihm das
frischgefüllte Glas vor, in dem der schwere Wein duftete. Und er
trank. Er konnte sich nicht dagegen wehren.
Sie machen mich betrunken, warum? fragte er sich, eine Sekunde der
Klarheit zurückgewinnend. Sie flößen mir Gift ein,
schrie es in ihm im nächsten Augenblick auf.
Dann kam der kurze, stechende Schmerz, unter dem er zu zergehen
glaubte.
Er fiel nach vorn.
Dunkelheit… Aus!
Und doch war sein Bewußtsein schon wieder wach.
Er stand vor dem Tisch, zwischen den anderen, die ihn wie ein
Opfer umkreisten – und er sah einen zusammengesunkenen, leblosen
Körper.
Das war sein lebloser Körper, entseelt, tot…
Er war aus seinem Körper herausgetreten und sah seine eigene
Leiche vor sich und Panik erfüllte ihn.
*
Der Himmel war bewölkt. Regenwolken zogen auf.
Das Schloß dort drüben auf dem Kap wirkte noch
unheimlicher und bedrohlicher vor dem Hintergrund der finsteren
Wolkenberge, die schwer über das Meer rollten.
Jacques Dupont, der Wirt, stand an dem kleinen Fenster, das er
weit geöffnet hatte. Der Wind war stärker geworden. Er
trieb die Wolken schneller heran und brachte Regen. Aber nicht nur
ihn.
Er trug auch die Stimmen heran. Der schauerliche Gesang, den ein
Chor der Verdammten aus einer entsetzlichen Welt ertönen
ließ, war deutlich zu vernehmen.
Dupont war allein in dem Gastraum.
Der untersetzte Mann stöhnte leise, und es fiel ihm sichtlich
schwer, dem Wimmern und Ächzen und den grauenvollen Worten, die
er nicht verstand und die ihm doch bis ins Innerste
erschütterten, zu entgehen.
Mit Gewalt zwang er sich, das Fenster zuzudrücken. Kalter
Schweiß stand auf dem Gesicht des Wirts, als er sich
herumdrehte, sich mit dem Rücken gegen das Fenster stellte, als
könne er den Anblick des düsteren Schlosses nicht mehr
ertragen. »Es fängt wieder an… genau wie damals«,
entrann es halblaut den Lippen des bleichen Mannes. »Wie
damals… als Pierre verschwand… aber niemand wollte mir
glauben. Die Hexe läßt die Höllenmusik
ertönen… der Engländer hat Danielle de
Barteaulieé gesehen… wie Pierre sie damals gesehen
hat.«
Er schlug beide Hände vors Gesicht.
*
Sie war bei ihm, und er hörte ihre Stimme.
»Harry, Liebster, du wirst nie mehr von mir gehen, weil ich
dich brauche.«
Er nickte nur. Er hatte nicht mehr den Wunsch zu fliehen und auch
die Angst, die er eben noch empfand, war verflogen.
Er war nicht
Weitere Kostenlose Bücher