Macabros 039: Im Verlies der Hexendrachen
nicht
ausgeruht. Er fühlte sich wie gerädert. Gerade so, als ob
er einen anstrengenden Fußmarsch hinter sich hätte.
Da fiel sein Blick auf seine Schuhe. Sie waren von rotem Staub
bedeckt. An seinem Hemd und seiner Hose waren Fäden gezogen, als
ob er irgendwo an dornigem Gestrüpp hängengeblieben
wäre. Ein Blick in den Innenspiegel ließ das Grauen in ihm
aufsteigen.
Mitten auf der Stirn prangte ein ovaler Abdruck, der noch jetzt
wie Feuer wirkte. Deutlich waren die Abdrücke der kleinen
Zähne zu sehen, die sich gleichmäßig wie Perlen an
einer Schnur aufreihten.
Der Abdruck des halbgeöffneten Mundes der Danielle de
Barteaulieé!
*
Frandon saß auf seinem Platz, als wäre alles Leben aus
seinem Körper gewichen.
Das gab es doch nicht!
Er konnte sich an jede Einzelheit seines Traums erinnern…
Traum? Bekam man im Traum staubige Schuhe? Riß man sich im
Traum die Kleidung an dornigem Gestrüpp auf? Trug man einen
Abdruck von Zähnen davon, die einem im Traum auf die Stirn
gepreßt wurden?
Hatte er so intensiv geträumt, daß er sich die Dinge so
stark einbildete, daß er tatsächlich meinte, nur dort oben
gewesen zu sein – und aus Einbildung nun auch seine schmutzigen
Schuhe zum Beispiel sah?
Unsinn!
Er war ratlos und verwirrt.
Der Regen verging, und der Himmel klarte wieder auf.
Frandon blickte hoch zu dem unheimlichen Schloß. Der Abend
dämmerte, und die untergehende Sonne warf goldrote Strahlen auf
das alte, brüchige Gemäuer und verlieh der Ruine eine ganz
eigenartige Atmosphäre.
Was war geschehen? Frandon prüfte seine Überlegungen
ganz genau und erforschte sein Innerstes. War es irgendwann in seinem
Leben schon mal zu einem ähnlichen Vorfall gekommen? War er ein
Schlafwandler? War dieser Zustand möglicherweise durch seine
Grübelei ausgelöst worden und warf er nun Traum und
Wirklichkeit durcheinander? War er im halbwachen Zustand wirklich
dort oben gewesen oder hatte er sich die Ereignisse im Schloß
nur eingebildet und geträumt?
Das festzustellen war bestimmt das geringste.
Er brauchte nur auf das Kap zu steigen und nachzusehen, ob es den
gut erhaltenen Wohntrakt wirklich gab.
Schon lag seine Rechte auf der Klinke. Er wollte die Tür nach
außen stoßen. Aber dann unterließ er es. Es war
schon zu spät. Er würde irgendwann dort oben ankommen, wenn
die Dunkelheit schon hereingebrochen war. Im Finstern aber würde
es noch schwerer und gefährlicher sein, nach oben zu kommen. So
verwarf er den Gedanken und entschloß sich, gleich morgen
früh hierher zu kommen und nachzuprüfen, was ihn
bedrückte.
Blaß und ernst fuhr er davon und machte sich ernsthaft
Sorgen um seinen Gesundheitszustand.
*
Es bereitete ihm Mühe, die sturmumtoste Wüste zu
durchqueren. Die zerklüfteten Felsdünen waren weiter
entfernt, als es zunächst den Eindruck erweckt hatte.
Björn Hellmark blieb auch mehr als einmal stehen und lauschte
dem Klagen und Heulen des Sturms, und er begann sich zu fragen, ob
das ferne Schreien Wirklichkeit gewesen war oder ob er es sich
lediglich eingebildet hatte?
Er lauschte.
Da war es wieder…
Er war beinahe sicher, daß die schwachen Hilferufe dort
hinter jener Felsdüne herkamen, die die Form einer vielfach
durchlöcherten Trompete hatte und seltsame ächzende und
fauchende Geräusche von sich gab.
»Aaaaaaghhhh… aaaaaaoooohhh«, erscholl es fern und
leise, und das Pfeifen des Sturms trug die zitternde Stimme mit
sich.
Hellmark wollte sofort wissen, was dort los war. Er verdoppelte
sich.
Sein Zweitkörper Macabros, der eine aus feinstofflicher
Substanz bestehende Kopie seines Originalkörpers war, tauchte
wie ein Geist hinter der trompetenförmigen Felsdüne auf.
Damit entzog Macabros sich dem Blickfeld Hellmarks, doch
Macabros’ Sinne waren ständig mit denen Björns
verbunden. Der Ätherkörper, der sich in nichts von dem aus
Fleisch und Blut unterschied, wurde durch die geistige Energie
Hellmarks aufrechterhalten. Was Macabros sah und wahrnahm, empfing
auch Björn Hellmark wie eine geistige Botschaft im gleichen
Augenblick.
Macabros stand auf einer kleinen schiefergrauen Anhöhe und
sah im Tal zwischen den Felsdünen eine im Grau des Himmels und
des Sandes liegendes Schlachtfeld. Tausende von niedergemachten
Soldaten die dunkelblaue Kampfhemden trugen. Darüber ein
engmaschiges Kettenhemd mit breiten Schulterstücken. Die Toten
waren ausschließlich mit langen schmalen Schwertern, Pfeil und
Bogen bewaffnet und mit dornenbewehrten Kugeln,
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