Macabros 044: Mirakel - Herr im Geisterland
die
pulsierende kosmosbiologische Energie in sich aufnahm.
Morell nahm Platz an der Wurzelwand schräg gegenüber.
Das Innere der unterirdischen Höhle war von rhythmisch
pulsierendem Licht erfüllt, und der junge, sympathische Mann aus
Frankfurt starrte in die sich speichernde Energie und hing seinen
Gedanken nach.
Er verbrachte die ganze Nacht in diesem geheimnisvollen Heiligtum,
das nur ihm bekannt war. Stundenweise fiel er in einen tiefen,
erholsamen Schlaf. Als er im Morgengrauen zu sich kam, war der
Lichtstrom durch das Aderngeflecht des Wurzelwerks verebbt.
Frank nahm den Kristall an sich. Es war das erste Mal, seitdem er
ihn aufladen mußte, und so wollte er auch wissen, ob alles
einwandfrei über die Bühne gegangen war.
Er preßte den Mirakel-Stern an seine linke Brustseite. Im
nächsten Moment erfüllte ihn ein Prickeln, als der
kosmobiologische Kraftstrom ihn energetisch aus dem Gleichgewicht
brachte.
Die Urenergie aus der Tiefe des Alls ließ ein neues
energetisches Feld um ihn erstehen, in dem er sich von einer Sekunde
zur andern veränderte.
Sein Körper war umhüllt von einem glutroten, hauteng
anliegenden Anzug. Goldfarbene Stulpenhandschuhe, mit kleinen
Flügeln versehen, umgaben seine Hände, wie goldfarbene
Stiefel seine Füße schützten. Innerhalb des
energetischen Kraftfeldes fiel ihm jede Bewegung unendlich leicht. Er
war Mirakel, der Dyktenmann. In dieser Gestalt wäre es ihm jetzt
ein Leichtes gewesen, innerhalb einer einzigen Sekunde in Frankfurt
zu sein. Aber er schonte die gespeicherten Kräfte. Sein
Gefühl sagte ihm, daß er sie bald anderweitig nötiger
brauchte…
*
John Hiller konnte die ganze Nacht über kein Auge
schließen. Wie ein Karussell drehten sich die unruhigen
Gedanken in seinem Schädel und machten ihn kribbelig.
Einem Tier ähnlich, ging er in der stockfinstern Zelle auf
und ab. John wußte nicht, wie viele Stunden vergangen waren und
ob draußen schon der Morgen graute.
Hin und wieder legte er lauschend sein Ohr an die linke Zellenwand
und horchte auf Geräusche aus dem Verlies nebenan. Aber da drang
nichts durch. Die Wände waren zu dick.
Dafür vernahm er andere Geräusche – aus der Wand
gegenüber: Rascheln und Schaben und helles Piepsen. Hinter oder
in dem uralten Mauerwerk mußte ein Hohlraum sein, in dem Ratten
oder Mäuse hausten.
Hiller klopfte in der Dunkelheit die Wand systematisch ab. Er
registrierte verschiedenartigen Klang ebenso wie die Tatsache,
daß genau in der Mitte der Mauer einige Quader nicht ganz fest
im Verband saßen.
Sie waren locker, man konnte sie bewegen.
Mit fahrigen Fingern riß Hiller ein Streichholz an, und im
flackernden Licht rückte und drückte er an den lockeren
Steinen und glaubte zu träumen, als er erkannte, daß er
den ersten Quader herausnehmen konnte und daß sich dahinter
eine dunkle, mannsgroße Öffnung auftat, die wie ein Tunnel
in die Finsternis führte.
Mit ungeheurem Donnerschlag knallte der Quader vor ihm auf den
Boden. Der Stein war viel zu schwer, als daß er ihn mit seinen
Händen einfach hätte wegnehmen können.
Hiller wartete ab, bis das Dröhnen verebbt war.
Dann zögerte er nicht lange, um in das Loch zu kriechen.
Er konnte es nicht fassen, aber die Tatsache überzeugte ihn,
daß ein geheimnisvoller Stollen praktisch nur von einem
einzigen Quader verschlossen war, den er gefunden hatte. In den
Stollen liefen die Ratten vor ihm davon, kaninchengroße Tiere,
deren Anblick ihn mit Grauen erfüllte. Aber er überwand
seine Angst.
Er gab fauchende Laute von sich, riß hin und wieder ein
Streichholz an und sah die rotglühenden Augen im Dunkeln vor
sich schimmern.
Der Stollen führte durch das Gemäuer.
Der Untergrund war glitschig und feucht, und manchmal griff er in
eine Art übelriechenden Schlamm.
Wohin führte der Stollen?
Hiller hatte einen Verdacht. Hierbei konnte es sich um einen
sogenannten Fluchttunnel handeln, wie er von den Castle-Bewohnern
benutzt wurde, wenn Feinde das Castle eroberten.
Ed Hopkins war diese Tatsache entweder in der Eile entgangen, oder
er wußte überhaupt nichts von diesem Geheimstollen.
Nun, ihm sollte es recht sein…
Der Reporter aus Perth aber sagte sich auch, daß er nicht zu
überschwenglich reagieren dürfe, solange er noch keine
Gewißheit hatte.
Es konnte gut sein, daß er irgendwo in einer Sackgasse und
nicht in den Bergen ankam, wie er hoffte. Dann war ihm ein qualvoller
Tod in der Zelle doch gewiß. Und wenn er dort nicht verhungerte
und
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