Macabros 049: Die Qualligen aus der Mikrowelt
Dinge – die erschreckenderweise in allen
Einzelheiten jedoch mit den Beschreibungen übereinstimmten, die
er in der letzten Nacht dem Buch des Mönchs entnommen hatte.
Zufall?
Frank Morell hatte seit seinen Erkenntnissen viel dazu gelernt.
Viele Dinge im Leben sah er nun mit ganz anderen Augen. Auch seine
Träume, die ihn fast an den Rand des Wahnsinns trieben, hatte er
eine Zeitlang für ›Zufall‹ gehalten.
Mit der Entdeckung seiner Wiedergeburt und seiner einstigen
Existenz auf einem fernen Stern hatte sich sein Leben von Grund auf
geändert. Mit der Entdeckung des Mirakel-Kristalls, der
geheimnisvolle, urkosmische Kräfte auf seinen Körper
übertragen konnte, waren auch die Gefahren und
Merkwürdigkeiten größer geworden, die von diesem
Zeitpunkt an sein Leben begleiteten.
Er hatte den See der Wahrheit entdeckt, mit dem er sich noch mehr
auseinandersetzen wollte und mußte und durch den er erfahren
hatte, wie tief und groß die Geheimnisse waren, die seine
Existenz umgaben.
Die Welt gehörte den Menschen, aber die Schmarotzer lauerten
in der Dunkelheit, um die Menschen an der Ernte zu hindern, die
naturgemäß ihnen gehören würde.
Aus der Welt des Unsichtbaren drangen immer wieder Geister und
Dämonen ein, übernahmen in menschlicher Gestalt wichtige
Schlüsselpositionen und beeinflußten damit auch
wirtschaftliche und politische Entscheidungen.
Er sah Probleme und Ereignisse seit den Tagen, als er den Kristall
fand, mit anderen Augen, und wie Schuppen war es ihm von den Augen
gefallen, als er die Schicksale großer Völker und
wichtiger geschichtlicher Ereignisse in allen Abschnitten der
Menschheitsentwicklung überdachte.
Stets war es auch so gewesen, daß sich bei kleinen
Ereignissen wichtige Veränderungen ankündigten.
Menschen und Wesen aus einer grauenhaften Welt standen sich
gegenüber. Die Menschen ahnten nichts, wußten
nichts…
Durch den Blick und das Eintauchen in den See der Wahrheit, den er
jederzeit wieder erreichen konnte, hatte er zum ersten Mal von
Feinden erfahren, die mit der Dämonengöttin
Rha-Ta-N’my gemeinsame Sache machten, die ebenfalls dem Reich
der Finsternis entstammten, und von denen man noch nicht genau
wußte, welche Aufgaben sie eigentlich erfüllten.
Da waren Shab-Sodd, der Dämonenzeuger, Utosh-Melosh-Orsh, der
dreiköpfige, hinterhältige Lügengott und
Nh’or-Thruu, der Irre aus Zoor.
Bisher war es Morell nicht gelungen, tiefer in das Geheimnis
dieser Namen und Mächte einzudringen, die jedoch von
allergrößter Wichtigkeit für sein Leben als Mensch
und bedeutungsvoll für sein Sterben als Dykte auf der
geheimnisvollen, paradiesischen Welt Tala-Mar gewesen waren.
Er mußte das Geheimnis dieser schwarzen Götter
ergründen.
Eigenartig, daß er ausgerechnet jetzt wieder an diese Dinge
denken mußte, während die Sache mit Francoise Values
rätselhaftem Tod ihn noch beschäftigte.
Dieser Gedankengang ermahnte ihn zum Nachdenken.
Zeigten sich hier Zusammenhänge, die er normalerweise gar
nicht beachtet hätte? Die Ereignisse der nahen Vergangenheit
ließen einen solchen Schluß auf jeden Fall zu.
Er eilte die Treppen nach oben und betrat seine Wohnung. Seine
Gedanken drehten sich wie ein Karussell im Kreise.
Er mußte der Sache auf den Grund gehen und herausfinden, was
hier gespielt wurde.
Er holte sofort den schweren, ledereingebundenen Folianten aus dem
Schrank und blätterte die Seiten mit den Stahlstichen auf, die
angeblich die Qualligen zeigten und die Opfer aus dem Dorf, die sie
zurückgelassen hatten.
Die Beschreibung, die der Mönch Claudius gab, deckte sich
genau mit den Ausführungen, die Kommissar. Marcel Trudeau in
äußerster Knappheit einem französischen Reporter
mitgeteilt hatte.
Die typischen Druckstellen am ganzen Körper, der
Erstickungstod – aber keine Würgemale! Was
verständlich war, wenn man bedachte, auf welche Weise die
»Qualligen« ihre Opfer zu Tode brachten.
Aber da war noch mehr.
Claudius Johannitus Ellerbrecht schrieb, daß in dem Fall,
als das Dorf ausgerottet wurde, offenbar ein
»Mißverständnis« mit der Seite, woher die
»Qualligen« kamen, bestanden haben mußte.
»Die Dorfbewohner waren tot«, stand auf der
entsprechenden Seite zu lesen, die Morell sich nochmals vornahm.
»Als man sie aber beisetzen wollte, fand man sie nicht mehr. Die
Qualligen hatten sie im Nachhinein abgeholt, und das Dorf war leer.
Die Häuser zerfielen, die Tiere dort gingen zugrunde, weil kein
Mensch sich mehr um sie kümmerte.
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