Macabros 050: Rha-Ta-N'mys Leichenschlucht
darauf zukam –
und Joe Octlan wurde aufgenommen wie in einer fleischigen Tasche, die
sich völlig um ihn schloß.
Seltsames Rauschen und Rascheln erfüllte sein
Bewußtsein – und in dem Maß, da ihn dieses
Unbekannte, aber gerufene Etwas beschäftigte, das ganz auf
seinen Leib eingestellt und auf seine geistige Wellenlänge
eingerichtet war. Nur einer, der sich so intensiv mit
Rha-Ta-N’my, deren Leben und Wirken befaßte, konnte diese
Kontaktaufnahme herbeiführen. Und selbst dann war es noch
fraglich, ob die Dämonengöttin auch dazu bereit war, den
Ruf anzunehmen.
Diesmal war sie bereit dazu, ein Zeichen dafür, daß sie
sich viel von dem versprach, was mit dem zweiten Leben des ihr voll
ergebenen Ronald Martin begann. Hier war ihr ein menschlicher Geist
ohne Furcht und mit ganzer Hingabe hörig, hier hatte ein Mensch
sich völlig aufgegeben.
Ronald Martin in Octlans Leib, fühlte ein Zerren und
Reißen, und er meinte, in endlose, unerbittliche Ferne gezogen
zu werden.
Das Rauschen schwoll an zu einem Orkan und überflutete ihn
ganz. Die absolute Dunkelheit löste sich zögernd auf,
schwand jedoch nicht ganz. Unangenehme Dämmerung herrschte, in
der für ihn jedoch eine andere Umgebung erkennbar wurde. Er
befand sich in – einer anderen Welt?!
Riesige spitze, himmelstürmende Berge kratzten ein unheilvoll
anzusehendes Wolkenmeer an. Dräuende Nebel wogten über den
düsteren, unheilschwangeren Tälern, in der geheimnisvolle
Schatten zu leben schienen.
Martin hatte das Gefühl, von tausend Augen gleichzeitig
beobachtet zu werden.
Aber das störte und irritierte ihn nicht.
Er hatte fast fünfzig Jahre seines Leben im geheimen auf die
Offenbarung Rha-Ta-N’mys gewartet.
Ob sie ihm – ihr wirkliches Gesicht zeigen würde?
Dies würde das größte und entscheidendste aller
Zeichen sein. Er hatte bei seinem Studium der geheimen Schriften aus
allen Teilen der Welt zahllose Hinweise für die Existenz der
Dämonengöttin gefunden, der tausendmal tausend Namen
zugeschrieben wurden, tausendmal tausend Gesichter.
Es war ihm in harter, mühevoller Kleinarbeit gelungen, die
Namen zu entwirren und Verbindungslinien zu ziehen zu anderen
Geschöpfen, die als Fabelwesen, als Dämon und Plaggeister,
als Nachtmahre oder Geistwesen auftauchten und scheinbar ein
eigenständiges Leben führten. Selbst in Gestalt von Bestien
und Ungeheuern hatten sich der unbeschreibbare Körper
Rha-Ta-N’mys schon in grauer Vorzeit auf der Erde gezeigt. Und
vielfältig wie ihre eigenen Gesichter waren die Legionen ihrer
Helfershelfer, die sie selbst geboren hatte oder die im Verlauf ihres
unaufhaltsamen Siegeszuges durch das Universum zu ihren Dienern
geworden waren.
Manches hatte er klar erkannt – das meiste aber war ihm nach
wie vor ein Rätsel.
Wenn Rha-Ta-N’my die Tore ihres Reiches für ihn
öffnete, dann würde er bald auch die Zipfel der letzten
Geheimnisse erfassen.
Rha-Ta-N’mys Lieblingsgestalt war die des schwarzen
unheilbringenden Todesvogels. Und es schien Martin, als rauschten
Schwingen, als würde er auf Flügeln rasend schnell durch
die dämmrige Nebelwelt getragen werden…
Die riesigen Berge schrumpften so schnell, als ob er sich von
ihnen entferne…
Aber dann erkannte er – und dies nicht mit einem gewissen
Schrecken –, daß er sich nicht von den Bergen entfernte,
sondern daß er wuchs, immer schneller, immer rasender, als
sollte er sich zu einem Riesen entwickeln!
War es nur Einbildung?!
Riesige Blasen schwebten dunkel und lautlos an ihm vorbei, wie
eingefangenes Gas aus einem brodelnden Sumpf.
Von der Seite her schoben sich schwarze Nebelbänke auf ihn
zu, die gewaltige Schluchten bildeten, in deren Tälern grauer
Nebel einen See bildete, in den er eintauchte.
Martin, versehen mit seinem neuen, kraftvollen Körper,
meinte, darin zu liegen.
Er gab sich völlig entspannt diesem Schweben hin, dem
blasigen Nebel, dem Himmel, der ihn berührte.
Dann hörte er eine Stimme. Es war seine eigene, die Stimme
des Ronald Martin, der in schlaflosen Nächten sich wie ein Irrer
gebärdete, um die Grenzen zwischen seiner Schwachheit und der
Welt, die ihn von einer anderen trennte, niederzutrampeln.
»Rha-Ta-N’my!« hörte er sich rufen, hektisch,
verzweifelt und besessen. »Ich bin bereit für dich. Ich
werde alles tun, was du von mir verlangst – wenn ich nur Geld,
Macht und Einfluß erlangen kann… Nenne mir deinen Preis,
und ich werde ihn akzeptieren! Ich fürchte dich nicht, nicht
deine Welt! Ich
Weitere Kostenlose Bücher