Macabros 052: Aufstand der Knochenmonster
langes, blondes Haar und eine leicht
gebräunte Gesichtshaut. Die Haut spannte sich wie trockenes
Pergament über die Knochen.
Eine Verletzung war nicht erkennbar.
Dieser Mann mußte auf dem Weg zwischen den
Bienenstöcken zusammengebrochen und vor Schwäche gestorben
sein. Aber wenn hier ähnliche Bedingungen wie auf der Erde
herrschten, von der er kam, dann handelte es sich bei dem Toten um
eine junge Person.
Rund zwanzig Schritte weiter stieß der Koloß aus
Bhutan auf einen neuen Fund.
Direkt neben einem Bienenstockhaus lag ein breites, scharf
geschliffenes Kampfbeil.
Dabei waren ein Kettenhemd, ein Schwert, lederne Schnürschuhe
und eine lederne Hose, deren Beine brüchig waren.
Das Oberteil der Hose aber war wie neu, und die Bauchdecke war
verziert mit einem vogelartigen Wesen, das nur aus einem runden,
massigen Kopf und zwei auseinandergebreiteten Flügeln
bestand.
Rani Mahay betrachtete die Kleidung sehr genau und musterte dann
seine zerschlissene Hose eingehend.
»Ein Kleiderwechsel wäre ja mal bitter notwendig«,
murmelte er. »Ich bin sowieso ein Freund von Lederhosen. Und
zweckmäßig werden sie hier wohl auch sein.«
Er kappte die in Mitleidenschaft genommenen Lederbeine mit zwei
kurzen Beilschlägen und schlüpfte dann in das erbeutete
Kleidungsstück. Er band sich die Schuhe um und steckte das Beil
in eine Schlaufe seitlich an der Hüfte. Diese Vorrichtung war
ganz offensichtlich dafür vorgesehen.
Dann griff er noch nach einem Helm, aus dem seitlich zwei
metallene Hörner wuchsen.
Er setzte ihn sich auf den Schädel.
»Schade, daß es hier keinen Spiegel gibt«, knurrte
er, sich umblickend und einen Blick in einen der zahlreichen
glühenden Teiche und Seen werfend. Darin aber spiegelte sich
sein Körper nicht. »Ich muß bestimmt wild und
erschreckend aussehen.«
Er fuhr sich durch den dichten Vollbart, der ihm im Lauf seiner
Anwesenheit in diesem fremden Reich gewachsen war. »Entweder
seh’ ich aus wie ein verhinderter Teufel oder wie ein indischer
Wikinger. Oder wie eine Mischung aus beidem…«
*
Er setzte seinen Weg zu dem großen Platz fort. Als er
näher kam, sah er zahlreiche Waffen und Kleider am Boden
liegen.
Dabei wurde ihm erst bewußt, daß der große,
freie Platz, den er für eine Arena gehalten hatte, in
Wirklichkeit ein Teich war, in dem sich blauschimmerndes Wasser
befand, das den Grund des flachen Sees eben noch bedeckte.
Über dem See wölbte sich eine Kuppel von strahlender
Klarheit, als wäre das Gewölbe dort oben durchsichtig und
ein wunderbar leuchtender Himmel dehne sich dahinter aus.
Mitten im See funkelte ein winziges, helles Licht.
Mahay hielt den Atem an.
Er spürte eine große Ruhe, eine wundervolle
Atmosphäre umgab ihn, er hörte leise, singende Stimmen und
sphärenhafte Töne, die sein Innerstes frohlocken
ließen.
Er fühlte sich in der Nähe dieses fast versiegten Sees
so glücklich, so wohl, wie er es nie in seinem Leben zuvor
gewesen war.
Die Schmerzen waren plötzlich verschwunden.
Noch bis eben peinigten sie ihn.
Irritiert fuhr er zusammen und tastete nach der Brustwunde, nach
der Hüftwunde.
Er meinte zu träumen.
Die Verkrustungen existierten nicht mehr! Narbenfrei waren die
Wunden verheilt!
*
Sein Herz schlug heftiger.
Irgend etwas zog ihn hinein in den See. Er widerstand dem
Drängen – noch…
Ein Verdacht stieg in ihm auf, als er sich so in der Runde
umblickte. Sein Blick blieb hängen an den Schuhen und Kleidern,
an den abgeschnallten Schwertern, den Helmen und Kettenhemden.
Er begriff.
Schon viele waren gekommen – hierher in dieses Gewölbe.
Gewölbe? Das war wohl nicht der richtige Ausdruck.
Dies war ein Tempel, und mit der Zeit erst war dieser Tempel zu
einem Gewölbe geworden.
Als Fürst Ramdh sich lossagte von dem Eingott, den sie bisher
verehrten… Mit der Macht, die durch Tamuur und den Totenkopfmond
entstand, wurden gleichzeitig die Einflüsse
zurückgedrängt, die von diesem heiligen Ort ausgingen.
Dies war das – magische Zentrum, von dem Aleana gesprochen
hatte.
Waren es Fremde gewesen oder Einheimische, die sich erinnerten und
etwas gutmachen wollten und die hierher kamen, um ihren Gott
anzurufen, mit ihm zu sprechen?
Sie hatten ihre Kleider abgelegt und in diesem heiligen See
gebadet. Aber keiner mehr war von hier zurückgekehrt.
Das traf offenbar für die mutigen Antolanier ebenso zu wie
für die abenteuerlustigen Männer aus Ullnak, die dem
Tagspuk auf den Grund gehen wollten. Und
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