Macabros 052: Aufstand der Knochenmonster
seinen Füßen,
ließ sein Schwert herabsausen und traf voll den Gegner, der ihm
unbarmherzig und gnadenlos den Garaus hatte machen wollen.
Hier gab es nur eines: kämpfen und überleben.
Der Inder war in eine Falle gelaufen. Er hatte sich benommen wie
ein Anfänger.
Wie genau hatte man seine Reaktionen abgeschätzt!
Der Knöcherne auf dem Thron, offensichtlich der Führer
einer Truppe von Verblendeten, von denen ein Teil sich hier in diesem
Versteck befand, schien genau Bescheid zu wissen.
Er wollte das Medaillon.
Sie fürchteten es nicht, es irritierte sie nicht.
Sie hatten es nur nicht selbst holen können.
So weit wiederum waren sie noch nicht gewesen, daß sie es
hätten ermöglichen können, in das weißmagische
Zentrum einzudringen.
Wenn die Mächte der Finsternis weiter erstarkten, dann gab es
keine Hoffnung mehr für Antolanien.
Wenn sie das Medaillon eroberten, bedeutete dies das Ende einer
Welt, die ihre Chance verpaßt hatte.
Mahays Blick ging kurz zum Gürtel, wo er das Medaillon rasch
hingesteckt hatte, und gerade in diesem Moment, als er eine heftige
Abwehrbewegung machen mußte, rutschte es tiefer.
Er griff noch danach und wollte es festhalten.
Aber er erreichte es nicht mehr.
Es fiel auf den Boden – und es klirrte beim Aufschlag wie
Glas, das zersplitterte.
Und es zersplitterte auch etwas.
Die Emailleschicht, die Kaphoons Konterfei zeigte, löste sich
in einem Stück, rollte über den Boden und fiel auf die
andere Seite.
Unter dem Bild wurde eine mattsilberne Fläche frei, in der
sieben kleine rote Punkte eingelassen waren, die in einer besonderen
Konstellation zueinander standen.
Diese Konstellation erinnerte ihn sofort an etwas.
An die – sieben Augen des Schwarzen Manja!
*
Nur den Bruchteil einer Sekunde hatte er Zeit, diesen Eindruck in
sich aufzunehmen.
Das Kampfgeschehen forderte ihn ganz.
Er schlug sich wie nie zuvor in seinem Leben.
Er sah, wie der Geheimnisvolle auf dem Thron aufsprang, als Mahay
den Stufen zu diesem Thron immer näher kam.
Der Inder kämpfte um sein Leben, und die Hoffnung, daß
er seine Rückkehr in der Hand hatte durch den Fund des
Medaillons, schien seinen Körper mit Kräften zu
erfüllen, die er sonst nicht imstande gewesen wäre zu
mobilisieren.
Der Führer dieser abtrünnigen Gruppe wich langsam um den
Thron herum.
Aus den Augenwinkeln nahm Rani Mahay diese Bewegung wahr, dessen
Augen in diesen alles entscheidenden Sekunden überall zu sein
schienen.
Er sprang auf die Stufen zu und nahm jeweils zwei Treppen.
Sein Ziel war der Knochige, der seinen Tod und die Erbeutung des
Amulettes gefordert hatte.
Der lief los. Und erst jetzt war in der olivbraunen Dämmerung
zu sehen, daß hinter dem Thron ein Tunnel sich befand, der auf
der entgegengesetzten Seite in die Höhle zu den Tempeln und dem
weißmagischen Zentrum führte.
Der Führer dieser Sekte jagte die schmalen Stufen empor und
verschwand in dem sich windenden Korridor.
Mahay sah, daß auch jetzt die anderen flohen, nachdem es ihm
gelungen war, den neunten Gegner unschädlich zu machen.
Zwischen Gerippen und abgeschlagenen Totenschädeln stand er
minutenlang vornübergebeugt, nach Atem ringend und sich auf sein
Schwert stützend. Lange wäre er dieser Belastung nicht mehr
gewachsen gewesen.
Seine Knie zitterten ihm.
Dann sank er langsam in die Hocke.
Er griff nach dem gespaltenen Amulett und stellte fest, daß
das Konterfei Hellmarks alias Kaphoons wie ein Deckel war, der die
sieben Miniaturausgaben der Manja-Augen verdeckt hatte.
Auch die Innenseite des Deckels enthielt ein Bild, das mit
nachtblauer schimmernder Emaille grundiert war. Auf diesem
nachtblauen Hintergrund sah man zwei Hände – eine
weiße und eine rötlich-braune – die einander
entgegenstreckten. Zwischen diesen beiden Händen befand sich ein
helles Strahlenfeld, das Mahay an eine Aura erinnerte.
Er steckte den Deckel mit Kaphoons Konterfei wieder auf und hielt
das Amulett fest in der Hand. Er ließ einige Minuten
verstreichen, ehe er sich erhob und diesen Knochenfriedhof
verließ.
Er benutzte den Weg, den auch der geheimnisvolle Intrigant benutzt
hatte.
Seine Vermutung wurde schließlich zum Beweis.
Der zweite Treppenkorridor mündete in steiler Höhe auf
der entgegengesetzten Seite der Knochenburg. Er kam in einem triste
aussehenden Garten an.
Der Morgen graute. Von dem Licht des Totenkopfmondes war nichts
mehr zu sehen. Zu sehen war auch nichts mehr von dem Flüchtling
und seinen Anhängern.
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