Macabros 052: Aufstand der Knochenmonster
murmelte die
Italo-Amerikanerin. »Diesmal war es anders, als es sonst bei dir
aufgetreten ist, nicht wahr?«
Anka nickte bleich und fuhr sich mit der Hand durch das seidige
Haar. »Bisher war es Wirklichkeit – diesmal hat man mich
– hat man uns – «, verbesserte sie sich, »mit
Trugbildern genarrt.« Sie lachte leise und schüttelte den
Kopf. »Auch der Nachtwächter, der aus einem Bild in meiner
Wohnung stieg, war ein Trugbild und wurde nur von mir gesehen.
Wirklichkeit aber war der umstürzende Wagen mit dem Geschirr,
und der abbrechende Balkon wie der umstürzende Baum im Garten
der Heilanstalt. Ich beginne zu verstehen, wie dieses Spiel geplant
ist, Tina.« Sie blickte sich in der Runde um. Die Welt war
wieder friedlich.
Tina Marino nickte und nahm ihr die Antwort vorweg.
»Verwirrung soll uns zermürben. In dem Moment, da wir nicht
mehr erkennen, was Wirklichkeit, was Wahn ist, kann uns das Ende
überraschen. Wir werden entweder in einer Irrenanstalt landen
oder – im Jenseits. Das Ganze aber geschieht nicht ohne Sinn.
Wir müssen hinter die Dinge kommen, ehe es zu spät ist.
– Vielleicht ist James Donelly die Station, die wir als
nächstes untersuchen sollten, Anka.«
*
Der Mann in der anderen Dimension gab sich einen Ruck.
Er begriff die Zusammenhänge nicht, und es hatte keinen Sinn,
weiter darüber nachzudenken. Wenn er die Hintergründe nicht
kannte, war es ausgeschlossen, eine logische Schlußfolgerung zu
ziehen.
Er warf einen letzten, intensiven Blick auf das Bild.
Diese Augen, die kühne, gerade Nase, das energische
Kinn… das alles war Hellmark, wie er leibte und lebte.
Ein wenig verfremdet war die Frisur. Die Haare waren knapp
schulterlang. Hellmark erinnerte an einen schönen
Barbar…
Und da durchfuhr es Mahay siedendheiß. Er war einer der
wenigen, die Björn Hellmarks Geheimnis kannten.
Hellmark war in einer früheren Identität Kaphoon
gewesen. Ein namenloser Barbar, der ›Sohn des Toten
Gottes‹, wie man ihn rätselhafterweise auch bezeichnete,
war einst durch ein Land der Vergangenheit gezogen, begleitet von
einem stolzen Roß und bewaffnet mit einem Schwert, das man das
›Schwert des toten Gottes‹ nannte. Dieses Schwert war in
einem magischen Feuer geschmiedet worden, und wenn Dämonen und
böse Geister mit ihm in Berührung kamen, dann zeigte es
seine vernichtende Macht.
Das alles wußte Rani Mahay, und die Kette der logischen
Gedanken, die er nun knüpfte, paßte einfach.
Dieses Bild – zeigte Björn Hellmark in seiner Gestalt
als Kaphoon.
Dieses Bild aber war schon viele Jahrtausende alt…
*
Er ließ den See hinter sich und passierte die
bienenstockähnlichen Häuser, von denen er während
seines Aufenthalts im See erfahren hatte, daß es sich um eine
Art ›Meditationsplatz‹ handelte.
Hierher waren die Gläubigen einst gekommen, um zu beten und
um stumme Zwiesprache mit einem geistigen Wesen zu halten.
Das alles war Vergangenheit.
Die Tempel waren verwaist. Die heilige Atmosphäre war
gestört und vielleicht war das Abnehmen des weißmagischen
Wassers im See ein Zeichen für die Abnahme der Freiheit dieser
Welt. Immer mehr war es zurückgewichen…
Das rötliche Licht aus den Lavatümpeln begleitete
ihn.
Jetzt bei der Rückkehr hatte er eine ganz andere Einstellung
zu dieser phantastisch anmutenden und gleichzeitig unheimlich
wirkenden Umgebung gefunden.
Hier unten zeichnete sich die Entwicklung ab, die diese Welt durch
menschliche Schwäche, durch Versagen, Gier, Egoismus und auch
die Verlockungen falscher Propheten durchgemacht hatte.
Wie ein fauliger Fraß arbeitete sich das Unheil voran und
veränderte hier unten die Welt, die Materie.
Der Aufbruch der Lavaseen zeigte ein frühes Stadium. Noch
verhielten die unterirdischen Kräfte sich, noch konnten sie
nicht ausbrechen. Etwas hinderte sie daran. Die unheilbringenden
Geister, die die Elemente in den Griff bekommen hatten, waren wie
gelähmt. Aber sie lagen auf der Lauer…
Warteten sie das Versiegen des heiligen Wassers in dem
weißmagischen Zentrum ab, in der Gedanken sich geläutert
und stumme Zwiegespräche stattgefunden hatten?
In der undurchsichtigen Atmosphäre vor sich erblickte er die
spiralförmige Treppe.
Mahay bewegte sich kraftvoll und federnd. Der Aufenthalt in
Seenähe und im Wasser selbst hatten sich ausgesprochen wohltuend
auf seine seelische und körperliche Verfassung ausgewirkt. Er
hatte das Gefühl, Bäume ausreißen zu können.
Beschwingt eilte er der
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