Macabros 052: Aufstand der Knochenmonster
brachte das Amulett quasi in Sicherheit. – Und im
heiligen See des weißmagischen Zentrums war es sicher,
Fürst. Tamuur wußte das. Und er konnte es nicht
ändern. Die Einflüsse von dort, das ›Gute‹, was
noch erhalten war, hielten ihn davor zurück, diese sich nur
langsam verändernde Welt im Handstreich zu nehmen. Er hätte
dies getan, wenn er es gekonnt hätte.
Von außen her konnte Tamuur nichts anderes tun als
abwarten.
Aber hier im Innern hat er Vertraute.«
Nun berichtete Rani von den Dingen im einzelnen, die ihm
aufgefallen waren und die ihn mit Sorge erfüllten.
»In das Unternehmen, das wir vorhaben, hat sich ein
zusätzlicher und schwerwiegender Unsicherheitsfaktor
eingeschlichen, Fürst. Wir müssen damit rechnen, daß
Angehörige der Truppe, die wir nach Ullnak führen wollen,
im Augenblick des Kampfes gegen uns antreten und wir über
bedeutend weniger Helfer verfügen, als wir jetzt noch vermuten.
Aber nach Ullnak müssen wir. Das steht fest. Und in Ullnak
selbst können wir möglicherweise mit Hilfe von
Aufständischen rechnen, die sich in den Städten des von dem
Magier beherrschten Reiches verbergen. Dort wartet man auf ein
Signal. Hier wiederum – so scheint mir – ist uns eine
stille Reserve sicher. Wie weit sie die Abtrünnigen, die wir
nicht kennen, aufheben, entzieht sich unserer Kenntnis.
Schließlich kennen wir die Zahl der Verräter nicht, die
uns begleiten werden und im Sinne Tamuurs und Molochos’ handeln.
Eine kleine Gruppe von Verschwörern lauerte mir auf. Neun konnte
ich töten. Aber außer ihnen – waren noch Beobachter
da.«
»Beobachter?« wunderte Skelettus sich.
Mahay nickte. »Ich habe bisher nicht darüber gesprochen.
Böse Geister und Dämonen hielten sich in der Nähe des
Throns auf. Ich habe sie wahrgenommen wie lautlos flatternde
Schatten, wie fledermausähnliche Geschöpfe, die einen
bestimmten Radius nicht überschreiten konnten. Entweder hielt
sie die Nähe der Ausstrahlung der Einflüsse des
weißmagischen Zentrums ab, oder es war das Amulett, das sie
störte.«
In dem Gespräch stellte sich heraus, daß Skelettus in
der Tat nichts von den Intriganten und erst recht nicht von dem
geheimen Versammlungsort wußte, der doch so leicht im Grunde
genommen zu erreichen war.
Der Koloß von Bhutan führte ihn hin.
Das oliv-braune Gewölbe wirkte bedrückend und unheimlich
auch jetzt, da es von den Akteuren verlassen war. Skelettus
faßte die Toten näher ins Auge, die Mahays Schwerthieben
erlegen waren.
Der Fürst kannte sie alle beim Namen.
Er hätte auch den Gegenherrscher identifizieren können,
der anfing, seine Macht auszubauen, um die Umkehr, zu der Skelettus
alias Fürst Ramdh sich entschlossen hatte, zu boykottieren.
Aber der Knochenmann, der den Thron innehatte, war nicht mehr
da.
Skelettus war jetzt, im Besitz eines Teils seiner Erinnerung,
aufgrund des Amuletts in der Lage, auch das weißmagische
Zentrum aufzusuchen.
Nun spürte er nicht mehr den rätselhaften Zwang, diesen
Teil der Knochenburg zu meiden.
Im weißmagischen Zentrum blieb Skelettus ehrfürchtig
still.
Er umrundete den See, während Mahay in der Nähe eines
der bienenstockähnlichen Meditationshäuser blieb.
Dann lief Skelettus in den See. Der Fürst hatte das Amulett
an der goldenen Kette befestigt, die sich zwischen den beiden
Haltespangen seines farbenfrohen Gewandes befand.
In dem Moment, als seine knöchernen Füße das
Wasser berührten, geschah so etwas wie ein Wunder.
Mahay mußte zweimal hinsehen, ehe er begriff, was sich vor
seinen Augen ereignete.
Die Knochengestalt – existierte nicht mehr. Skelettus wurde
in diesen Sekunden zu Fürst Ramdh. Seine eigene Erscheinung, die
er als Spiegelbild in dem stillen Wasser sehen konnte, fesselte ihn.
Er sah sich so, wie er einst war: in Fleisch und Blut.
Fürst Ramdh war nach menschlichen Begriffen ein ausgesprochen
gut aussehender Mann. Dunkelgetönte Gesichtshaut harmonierte mit
dem blauschwarzen, dichten Haar, das willig seinen Kopf bedeckte. Die
fast schwarzen Augen blickten traurig und gleichzeitig
begreifend.
Ein leises Stöhnen entrann den durchbluteten Lippen dieses
Mannes, der sich nach so langer Zeit wieder in seiner wahren, alten
Gestalt sehen ließ. Und hier unten war es so feierlich und
ergreifend still, daß das leiseste Geräusch zu vernehmen
war.
Da begriff Rani auch, wer der Tote aus Fleisch und Blut gewesen
war, den er am Fuß der spiraligen Treppe gefunden hatte.
Es war ein Knochenmann gewesen, der bei
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