Macabros 053: Totenkopfmond
mit Leib und Seele
beherrscht, weil er selbst ein Teil dieser Welt ist, wurde von meinen
erwachenden Gedanken wahrgenommen und angezapft. Die Kraft, die noch
in Tamuurs Herrschaftsbereich nachwirkte, habe ich für mich
genutzt. Ich fühlte die Nähe eines Xantiloners, ließ
sein Spiegelbild entstehen, um ihn neugierig zu machen, und bewirkte
so seine Ankunft in meinem Gefängnis, das nun bald kein
Gefängnis mehr ist. Ich wollte dich sehen und dir meinen Dank
aussprechen…«
»Aber ich habe nichts getan. Es ist ein Zufall. Ich war auf
der Suche nach Tamuur, dem Scharlachroten…«
»Daß du hier bist, das hast du nicht bewirkt. Daß
Tamuur fliehen mußte, ist dein Verdienst. Du suchst
Tamuur… du weißt, wo er ist?«
»Auf dem Totenkopfmond.«
»Dort sammelt er neue Kräfte…«
»Genau das aber wollte ich verhindern, sonst wird das, was
bisher geschehen ist, umsonst gewesen sein.«
Caloton musterte ihn aus winzigen Augen. »Ich bin gleich
völlig frei, ein Zeichen dafür, daß Tamuur noch nicht
erkannt hat, wie sich seine Niederlage auf meine Gebundenheit
auswirkt. Aber schnell kann etwas geschehen, das uns beide in neue
Gefahr bringt. Ich glaube, Tamuurs Wesensart erkannt zu haben. Wenn
ich das Problem richtig gelöst habe, dann ist er zur
Regeneration auf der Welt, die du als Totenkopfmond bezeichnest,
gezwungen. Wie lange diese Regeneration dauert, vermag ich nicht
abzuschätzen. Und nachsehen kann ich nicht, kannst du
nicht… das kann möglicherweise der erste und gleichzeitig
auch der letzte Versuch sein. Gegner holt Tamuur auf den
Totenkopfmond, denn das ist sein Sold an Molochos, der sein Herr
ist… du bist ein Gegner… er wird dich holen.«
Mahay schluckte. Es war erschreckend, mit welcher Klarheit
Calotons Gedankengänge erfolgten. Aus dem, was Mahay nur
angedeutet hatte, aus dem, was Caloton selbst wußte, zog er
prompt die richtigen Schlüsse, als gäbe es überhaupt
keinen anderen Weg.
»Ich aber wollte ihm zuvorkommen«, murmelte der
Inder.
»Das ist eine richtige Überlegung. Aber du weißt
nicht, wie du dorthin kommen sollst, wohin er sich zurückgezogen
hat.«
»So ist es.«
»Nichts leichter als das…« Der kleine Mund Calotons
verzog sieht. Er sah jetzt beinahe verschmitzt aus. Der ovale kahle
Kopf mit der gewaltigen Hirnmasse erhob sich schwebend von dem
Kegelstumpf, der zu wackeln begann und ebenfalls wie die Wände
ringsum an Substanz verloren hatte.
Caloton schwebte vor Mahay auf Augenhöhe. Die Energiemembran,
durch die er Sonnenlicht und Feuchtigkeit aufnahm, um sich zu
ernähren, war nur geringfügig heller als sein Gesicht.
»Es ist relativ bescheiden, was ich für dich tun kann im
Verhältnis zu dem, was du für mich getan hast«, fuhr
Caloton fort. »Ich habe etwas von Tamuur gelernt: den Einsatz
seiner magischen Wolken. Ich könnte dich auf die Totenkopfwelt
schmuggeln, ohne daß er es merkt…«
»Das wäre großartig!«
»Vorausgesetzt, daß er noch nichts von unserer
Begegnung ahnt«, dämpfte Caloton Rani Mahays Begeisterung.
»Leb wohl! Mann aus Xantilon… ich kann nicht bleiben. Meine
lange Wanderschaft geht weiter. Sie war lange Zeit unterbrochen, ohne
daß ich etwas daran ändern konnte. Tamuur hat mich
gehindert, hat meinen Schlaf herbeigeführt… nun aber bin
ich wieder frei… frei… hinaus in den Kosmos, kann meine
Reise fortsetzen auf der Suche nach Überlebenden Altenjas
Fünf, auf der Suche nach den vier anderen
›Weltraumkindern‹, die wie ich die Ewigkeit
durchforschen.«
Die Kegelstümpfe schrumpften lautlos und verschmolzen wie
grauer, schmutziger Schnee. Die Wände rundum verliefen wie
flüssiges Wachs.
Über Mahay bildete sich wie ein Sack eine schwarze Wolke.
Calotons Magie – ähnelte Tamuurs Magie. Nur mit dem
Unterschied, daß sie nichts Böses bewirkte, daß sie
ihm helfen sollte.
Es fauchte. Ein heftiger Windstoß. Mahay wurde der Boden
unter den Füßen weggerissen. Das magische Gefängnis
löste sich auf. Die Tiefe des Alls schimmerte durch das
sackartige Gebilde, wie er es bei Tamuur wahrgenommen hatte, als der
mit Aleana das Weite suchte.
Dann war es schon passiert.
Die magische Wolke verdunstete. Die Umgebung war eine andere.
Steiniger, felsiger Boden, eine bizarre felsige Umwelt… hohe,
zerklüftete, nadelspitze Felsen, Vulkankegel ringsum… eine
triste, verlorene einsame Mondwelt.
Winzige Sterne am Himmel. Nur vereinzelt. Dafür um so
größer der riesige Ball des Totenkopfmondes –
über ihm?
Rani Mahay
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