Macabros 061: Wenn Shimba Loos Todesruf erschallt
kleinen
Adreßbüchlein.«
Inspektor Marlowe wollte gerade eine weitere Frage an den
Amerikaner richten, als die Tür zu seinem Büro
geöffnet wurde. Ein Sergeant trat ein.
»Eben ist ein weiterer Mann eingetroffen, der behauptet, ein
Geschäftspartner der Ermordeten zu sein«, berichtete der
Yard-Beamte, »ein gewisser Lord Hathaway…«
»Schicken Sie ihn zu mir herein«, befahl der Inspektor
und wandte sich wieder an Gerlon. »Damit entlasse ich Sie
für heute. Ich möchte aber, daß Sie das Land noch
nicht verlassen und sich einstweilen noch zu unserer Verfügung
halten.«
»Wie Sie wollen«, murmelte Gerlon und verabschiedete
sich.
Auf dem Korridor ging ein älterer Herr auf und ab. Gerlon
ging auf ihn zu.
»Lord Hathaway?« fragte Gerlon den Fremden.
»Der bin ich«, sagte der etwa fünfundfünfzig
Jahre alte Mann. »Mit wem habe ich die Ehre.«
»Ich bin Charles Gerlon«, stellte der Amerikaner sich
vor. »Mary Cornwall…«
»Das arme Kind«, sagte der Lord, und ehrliches
Mitgefühl schwang in seiner Stimme mit. Er musterte den
Amerikaner von oben bis unten. »Sie sind also der
Geschäftspartner, den Mary vorstellen wollte…«
Gerlon reichte dem Lord seine Karte. »Es ist hier und jetzt
wohl kaum an der Zeit, um geschäftliche Dinge zu
besprechen«, sagte er. »Vielleicht besuchen Sie mich in
meinem Hotel, wenn Sie das hier hinter sich gebracht haben.« Er
deutete auf die Tür, die zu Inspektor Marlowes Büro
führte.
»Gut«, sagte der Lord zu, als er sah, daß der
Sergeant auf sie zukam. »Bis später dann!«
Gerlon sah noch, wie der Lord im Büro des Inspektors
verschwand, dann drehte er sich um und verließ New Scotland
Yard durch den Haupteingang.
Der Amerikaner winkte ein Taxi heran und gab dem Fahrer sein Hotel
an.
Zufrieden lehnte Charles Gerlon sich im Sitz zurück. Seine
Idee hatte Erfolg gehabt. Sein Plan war aufgegangen.
*
Wie immer, war die Stimmung im Büro auch heute gut.
Hans Bogner zog gerade wieder mal Petra Veiten auf, weil sie
heimlich eine Praline genascht hatte.
Die einundzwanzigjährige Zeichnerin war eine aparte Person,
nur etwas zu rundlich. Sie suchte immer auf ihr Idealgewicht von 55
Kilo zu kommen, was ihr aber nie gelang, da Schokolade, Pralinen und
andere kleine Leckereien einen unwiderstehlichen Drang auf das
Mädchen ausübten.
Aus diesem Grund kam Petras Schönheit nicht so zur Geltung,
wie das hätte sein können.
Frank Morell brütete gerade über einem neuen
Konstruktionsplan. Irgendwo mußte hier ein Fehler sein, aber er
konnte nichts finden.
Schließlich erhob er sich und öffnete das Fenster.
Das Büro »Gehring und Krollmann« lag in der neunten
Etage eines neuerbauten Bürohochhauses in der Nähe des
Messegeländes. Nur wegen dieser günstigen Höhenlage
konnte man hier noch ein Fenster öffnen, ohne von Autoabgasen
und anderem Smog belästigt zu werden. Frische, kühle Luft
drang in den Raum und umfächelte Franks Stirn.
Keine Wolke befand sich am Himmel. Die Sonne schien. Solche Tage
gab es nur noch selten, dachte Frank und setzte sich wieder auf
seinen Platz.
Um zwölf Uhr war Mittagspause. Frank verspürte Hunger
und beschloß, heute ausnahmsweise die Kantine des Hauses
aufzusuchen. Alexandra begleitete ihn.
Nachdem sie gegessen hatten, blätterte die junge Dame in
ihrer Zeitung, die sie sich mitgebracht hatte. Die ersten Seiten
überflog sie nur, erst beim Kulturteil verweilte sie etwas
länger.
»Oh«, sagte sie plötzlich. »In der Galerie
Kloderic wird eine Ausstellung mit Originalen von Martin Perts
gezeigt. Die sollte ich mir ansehen.«
»Seit wann interessierst du dich denn für
Gemälde?« fragte Frank Morell seine
vierundzwanzigjährige Kollegin, die wieder mal blendend aussah.
Alexandra Becker war ebenfalls Zeichnerin im Konstruktionsbüro.
Ihre blonden Haare und die hellblauen Augen harmonierten sehr gut.
Frank spürte den leichten Hauch von Alexandras
Lieblingsparfüm.
»Schon immer«, erwiderte das Mädchen
beiläufig. »Allerdings gefällt mir nur die moderne
Kunst.«
»Martin Perts«, murmelte Frank leise. »Ist das
nicht dieser junge englische Graphiker, den die Zeitungen schon als
Nachfolger von Salvatore Dali gepriesen haben?«
»Genau der ist es«, bestätigte Alexandra. »Und
die Zeitungen haben sogar recht. Vielleicht ist Perts sogar noch
besser als Dali«, sinnierte das Mädchen, während sie
den Artikel las. »Seine Bilder sind realistischer als die des
Spaniers. Realistischer Surrealismus, so paradox
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