Macabros 062: Shimba-Loo schickt den Rachedämon
»Haben Sie Ihre
Besuche schon hinter sich?«
Frank Morell beobachtete sie beim Sprechen und in ihrer Gestik
genau.
»Da gab’s nicht viel zu besuchen«, entgegnete er.
»Unter der Adresse, die Sie mir gegeben haben, stand nicht mal
ein Haus.«
»Das gibt’s doch nicht!« Die Frau kam um den
Schreibtisch herum und ließ sich von Morell den Zettel zeigen,
den sie selbst geschrieben hatte. Mit dem Zettel in der Hand kehrte
sie an ihren Platz zurück, um in ihrer Kartei nachzusehen.
Plötzlich stutzte die Frau. »Da stimmt etwas
nicht«, bemerkte sie kopfschüttelnd. »Sie müssen
sich irren. Diesen Zettel – habe ich nie geschrieben!«
*
Sie sagte es im Brustton der Überzeugung, so daß
überhaupt keine Zweifel aufkamen.
»Aber es ist doch ein Zettel von Ihrem Notizblock!«
widersprach Frank Morell.
Das stimmte.
»Blöcke dieser Art gibt es massenhaft«, bekam er zu
hören. »Dieser hier ist auf alle Fälle woanders her.
Ich habe Ihnen einen anderen mit einer ganz anderen Anschrift
gegeben.«
Sie fuhr mit dem Finger über die Seite des Buches, in dem die
letzten Ein- und Abgänge verzeichnet waren.
»Na, also!« rief sie. »Da ist’s ja. Ich habe
recht. Hier stehen ganz andere Angaben. Miss Summer und Mr. Whitter
haben zwei verschiedene Anschriften angegeben. Nicht eine einzige
stimmt mit der überein, von der Sie behaupten, daß ich sie
Ihnen gegeben hätte.«
Die Frau beharrte auf ihrem Standpunkt, und der war nicht zu
erschüttern. Frank Morell registrierte das mit einem Gefühl
der Unruhe und des Unbehagens.
Er stellte sich auf die veränderte Situation ein und bat die
Angestellte nun um die richtige Anschrift. Er beobachtete sie beim
Schreiben. Sie war ganz natürlich, und doch wurde er das
Gefühl nicht los, daß mit dieser Frau etwas nicht
stimmte.
Er nahm den alten und den neuen Zettel entgegen und verglich die
beiden Niederschriften. Sie gingen völlig konträr. Doch das
interessierte ihn erstaunlicherweise in diesem Moment kaum. Er
verglich hauptsächlich das Schriftbild. Und da mußte er
der Frau rechtgeben.
Es handelte sich um völlig verschiedene Schriften, als
wären sie von zwei Personen geschrieben worden!
»Mr. Whitter hält sich mit seiner Verlobten also zur
Zeit in Exeter auf. Okay. Da muß ich wohl dorthin gehen.«
Er schüttelte den Kopf. »Ich möchte nur wissen, wie
ich dann an die andere Anschrift geriet und wer sie mir gegeben hat.
Ich stehe vor einem Rätsel.«
»Von mir jedenfalls haben Sie diese Adresse nicht
bekommen«, bekräftigte die Frau ihren Standpunkt noch mal.
Sie blickte dem Besucher nach und fand sein Verhalten recht
sonderbar.
Sie ahnte nicht, daß umgekehrt Frank Morell ihr Verhalten
mehr als merkwürdig empfand.
Die Phänomene und Geheimnisse häuften sich. Die Unruhe
in ihm wuchs. Die bisherigen Ereignisse schienen nur Vorzeichen zu
sein – ein leiser, kaum spürbarer Hauch, der sich zum Wind
und schließlich zum alles vernichtenden Orkan steigerte. Es lag
etwas in der Luft – er spürte es einfach körperlich,
ohne sagen zu können, was es war.
Exeter war sein nächstes Ziel. Unabhängig von jedem
Transportmittel auf die ihm typische Art. Unweit des Hauses, das ihm
diesmal angegeben worden war, vollzog er in einer dunklen, engen
Gasse, hinter einem Mauervorsprung, die Verwandlung von Mirakel in
Morell.
Zu Fuß legte er die letzten Meter zum Haus zurück, in
dem Steven Whitter und Beverley Summer sich angeblich aufhalten
sollten. Schon von weitem sah er den Menschenauflauf, registrierte er
die Polizeifahrzeuge und den Krankenwagen, der in diesem Augenblick
vom Haus wegfuhr.
Da vorn war etwas passiert!
Rasch kam er näher.
Und da erfolgte das zweite Zusammentreffen zwischen Frank Morell
und Lorette Mallory…
Die schöne Journalistin aus London bahnte sich wie in Trance
eine Gasse durch die dicht stehenden Menschen. Die Nachricht,
daß im Haus von Mr. Borman Ungeheuerliches geschehen war, hatte
sich wie ein Lauffeuer verbreitet.
Immer mehr Neugierige tauchten auf, um zu erfahren, was es gewesen
sei…
Seltsame Gerüchte waren im Umlauf.
Lorette Mallorys Ziel war der silbergraue Bentley, den sie abseits
des Hauses auf freiem Platz geparkt hatte.
Frank Morell kam ihr entgegen. Sie prallte fast gegen ihn, als er
so unverhofft vor ihr auftauchte.
Ein Schreckensschrei entrann ihren bleichen Lippen. »Oh! Sie?
Das Interview mit Beverley Summer scheint wohl nicht besonders
ergiebig gewesen zu sein?«
»Es ist überhaupt nicht zustande
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