Macabros 064: Es erwacht der Ursen-Wahn
sie
geschaffen.«
»Wie hat Sequus dies vollbracht? Woher weißt du das
alles, Susan? Und wie kann ich dir helfen?«
»Jeder Quadratzentimeter Boden ist die Schöpfung Sequus.
Seine magische Kraft, sein Gesicht, ist zu Materie geworden. Nicht
bei jedem ist die Verwandlung voll durchgeschlagen. Doch das
stört ihn nicht. Denn seine Stunde ist nahe. Und deshalb bin ich
gekommen, um dich zu warnen. – Du hast mir das Leben
gerettet…«
»Doch was für einen Sinn hatte es? Es hat nur das
verzögert, was schließlich doch eingetreten ist. Ich
konnte nichts mehr für dich tun, Susan. Es tut mir so
leid!«
»Du hast getan, was du konntest. Mehr, als manch anderer
bereit ist, in einer solchen Situation einzusetzen. Du hast für
mich dein Leben gewagt. Das werde ich dir nicht vergessen. Und all
das, was ich dir jetzt sage, geschieht vielleicht mit einem kleinen
Hintergedanken, Björn. Wenn es dir gelingt, lebend diesen Ort zu
verlassen, dann haben wir alle Hoffnung, doch noch mal
zurückkehren zu können, noch mal so zu werden, wie wir
gewesen sind… Durch den Kontakt mit meinem Freund und den
anderen, die das gleiche Schicksal erlitten haben, konnte ich manches
in Erfahrung bringen. Sequus triumphiert. Er hat die Tore zu den
Kenntnissen, die er in Jahrtausenden sammeln konnte, weit
geöffnet. Er kann nur glücklich sein, wenn er
triumphiert.
Sequus kam einst hierher. Als Einsamer. Denn vor mehr als einer
Million Jahren – so alt ist er schon – konnte ihm sein
eigenes Volk nicht nachfolgen. Die Lebensdauer der
›gewöhnlichen‹ Ursen ist wie bei den Menschen
begrenzt. Da ließ er sich mit den Mächten der Finsternis
ein und praktizierte die schwarze Magie. Er gewann Rha-Ta-N’mys
Vertrauen und mußte beweisen, daß er ihres Vertrauens
würdig war.
Rha-Ta-N’my zeigte ihm Kh’or Shan. Dies war eine
trostlose, leere und öde Welt, ein Kontinent am Anfang seiner
Entwicklung. Feuer war als Energie vorhanden. Energie ist der Urstoff
des Lebens. Und Sequus lernte im Lauf seiner langen Entwicklung mit
Hilfe dieser Energie phantastische Visionen zu schaffen.
Dieser Teil Kh’or Shans, in den wir geraten sind, ist eine
Art Traum- und Geistwelt. Wie jedes Lebewesen so machte auch Sequus
unterschiedliche Stadien seiner Entwicklung durch. Er ist ein
›Normalgeborener‹. Das heißt – ein intelligentes
Geschöpf, das sich frei entscheiden kann zwischen Gut und
Böse, das nicht auf Shab-Sodd und Rha-Ta-N’my
zurückgeht.
Und eben deshalb, weil seine Seele Gut und Böse beherbergt
und er den freien Willen besaß, entschied er sich für die
Kräfte, die man eigentlich meiden sollte. Aber er war zu jung,
zu unerfahren, um zu begreifen, worauf er sich einließ. Er war
glücklich mit seinen Gedanken, die er in Materie umsetzen
konnte. Und so schuf er eine Zeitlang die leeren Tempel und Hallen.
Sie sind Schöpfungen seines Geistes aus einer Zeit, als er
gewissermaßen eine ›gute‹ Zeit erlebte.
Auch die Krater in der ersten Halle, die wir passierten, gehen auf
ihn zurück. Sequus experimentierte mit seinem Geist und der
ganzen Kraft seiner Seele. Nach menschlichem Zeitbegriff ist es
weniger als ein Jahrhundert her, seit er damit begann,
gewissermaßen sogenannte Menschenfallen zu errichten. Damit
wollte er seiner Einsamkeit entfliehen. Vor langer Zeit schon schuf
er durch die feurigen Energien dieses Landes Geschöpfe, die er
benutzte wie Puppen.
Er hatte damals gegen die geistigen Feuergeschöpfe Sequus
gekämpft. Und sie besiegt. Erst in neuerer Zeit waren Menschen
aus Fleisch und Blut zu Feuermonstern auf Kh’or Shan
geworden.
Sequus erlebte böse und gute Zeiten.
Je nach Lust und Laune schuf er sich selbst hier die Hölle
– und das Paradies. Der ›Tempel der
Glückseligkeit‹, wie Loana-Carminia einen Teil des Palastes
bezeichnete, ging auf eine Zeit zurück, in der Sequus in voller
Harmonie mit sich und der Welt den Wunschbildern in seiner Seele
freien Lauf ließ.
Wann der Zeitpunkt seines Entschlusses, sich endgültig und
für alle Zeiten Rha-Ta-N’my anzuschließen, gekommen
war, das wußte niemand in dieser Sekunde zu sagen. Sequus hatte
sich lange Zeit einsam gefühlt. Er vermißte sein Volk.
Die Sehnsucht wurde so groß, daß er begann, nach
seiner Erinnerung schließlich auch jene nachzubilden, die ihm
Untertanen und Freunde waren. Doch er konnte sie nicht beleben. Er
schuf sie als Bilder und als Reliefs in Stein«, fuhr Susan
Andrews fort. »Und Rha-Ta-N’my gab ihm das Versprechen,
daß er die
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