Macabros 074: Krypta der Regenbogen-Menschen
abgespielt hatten. Mehrere Männer und
Frauen waren nachts aus ihren Hütten geraubt und verschleppt
worden. Spuren wiesen darauf hin, daß die Fährte nicht zum
Fluß hinunterführte, sondern direkt in die grüne
Hölle.
Von selbst waren die Opfer nicht davongelaufen. Auch das stand
fest. Jemand hatte sie abgeholt. Jemand, von dem man nichts
Näheres wußte.
Doch die Eingeborenen schwiegen darüber. Bis auf jenen, der
sich dem Pater anvertraute. So kam der Stein ins Rollen.
Von jenem Eingeborenen und dem Pater stammten auch die Hinweise,
daß es sich nur um Kannibalen handeln könne, die sich so
weit an den Oberlauf des Urubú vorgewagt hatten. Doch auch
diesem Mann, mit dem sie sich vor ihrer Abreise noch unterhielten,
war nicht bekannt, um welchen Stamm es sich handeln könnte, von
dem man annehmen mußte, daß er noch kannibalische
Bräuche pflegte.
Die Dunkelheit nahm rasch zu, und Jack Slaton entschloß
sich, den Weitermarsch abzubrechen.
Auf einer leicht ansteigenden Lichtung schlugen sie ihr Lager
auf.
Wortlos wurden die Zelte aufgebaut, während die Frauen damit
begannen, eine Feuerstelle zu errichten und in einem Topf
mitgeführte Konserven zu erhitzen. Abgekämpft und müde
hockte man um die Feuerstelle, aß und sprach kaum ein Wort
miteinander. Man sah den Expeditionsteilnehmern die Strapazen des
Fußmarsches durch den Urwald an.
Die Wachen für die Nacht wurden eingeteilt. Alle zwei Stunden
sollte ein Wechsel erfolgen. Der muskulöse, breitschultrige
Eingeborene, der sie seit Manáus begleitete, legte sich direkt
an der Feuerstelle nieder, schlief zusammengekauert wie ein Tier auf
dem Boden. Er war nicht dazu zu bewegen, im Zelt seinen Schlafplatz
einzunehmen. Das Schlafen unter freiem Himmel zog er vor.
Die Zelte waren im Schutz eines Erdwalls und dicht stehender
Bäume errichtet worden. Mit dem Einbruch der Nacht begann das
gespenstige Leben in der undurchdringlichen Wildnis. Die Dunkelheit
konnte niemand mit seinen Blicken durchbohren.
Es knackte und raschelte im Busch, Schreie von Papageien und
anderen Vögeln hallten durch die Finsternis, und allerlei nicht
identifizierbare Laute summierten sich zu einem bunten Wirrwarr, der
hin und wieder verebbte, durch das geringste Geräusch aber
sofort wieder auflebte.
Man sah nichts. Doch unter jedem Blatt, hinter jedem Busch war die
tropische Welt mit prallem Leben erfüllt.
Es waren aber nicht nur Tiere, die sich in der Nähe des
Lagers aufhielten, die durch den langsam erlöschenden
Feuerschein angezogen oder erschreckt wurden – da war noch
mehr…
Irgend etwas lauerte in der Dunkelheit und beobachtete das stille
Lager mit den Zelten. Nicht die Augen eines Tieres brannten. Die
eines Menschen?
Nein – auch das nicht…
*
Aus der kurzen Zeit, die Björn Hellmark ursprünglich auf
den Bahamas zubringen wollte, waren mehr als sechs Stunden geworden.
Die Verletzungen, die zu Thomas Fergusons Tod führten, hatten
verständlicherweise die polizeilichen Behörden auf den Plan
gerufen.
Richard Patrick wurde einem langen Verhör unterzogen, nachdem
er zu erkennen gegeben hatte, daß er sich ursprünglich mit
Ferguson im Hotel treffen wollte.
Es gab auch keinen Grund für ihn, dies zu verschweigen.
Ferguson war Privatdetektiv, der schon viele hervorragende
Beobachtungen für Patrick durchgeführt hatte.
Man konnte annehmen und rekonstruieren, daß Thomas Ferguson
mit seinem Privatflugzeug auf die Bahamas geflogen war, daß er
gesund und unverletzt das Hotel betrat, dann aber hier oben nach dem
Verlassen des Aufzuges blutüberströmt und tödlich
verletzt eintraf.
Wie war so etwas möglich?
Diese Frage stellten sich allen, die direkt mit dem Fall zu tun
hatten und denen sich die Haare sträubten, weil sie keine
Erklärung dafür fanden.
Die stundenlangen Recherchen, die die Polizei ausführlich und
genau durchführten, brachten an den Tag, daß Thomas
Ferguson offensichtlich als einziger den Lift benutzt hatte. Es gab
keinen Zeugen, der darauf hingewiesen hätte, daß sich
außer Ferguson zum fraglichen Zeitpunkt jemand im Aufzug
befand. Der Polizeichef war natürlicherweise auch von der
Überlegung ausgegangen, daß Thomas Ferguson
möglicherweise – und nur dies kam ja auch in Frage –
seinem Mörder im Aufzug begegnete.
Aber da gab es zumindest zwei auffallende Widersprüche, die
man einfach nicht außer acht lassen konnte.
Erstens konnte man sich einfach nicht vorstellen, mit welcher
Waffe Thomas Ferguson so zugerichtet worden
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