Macabros 074: Krypta der Regenbogen-Menschen
gut,
was Hellmarks Worte bedeuteten.
»Du hast also die Absicht, dich an jenen Ort zu
katapultieren, wo der Verkehrsunfall stattgefunden hat, nicht
wahr?« fragte Pepe klar und deutlich.
»Richtig, mein Junge. Manchmal hat man das Gefühl, du
kannst Gedanken lesen.«
»Und ob! Wenn man dich so lange kennt, wie ich, dann
weiß man langsam, was hinter deiner Stirn vorgeht.«
Björn lächelte still vor sich hin, als er Pepe so
altklug reden hörte.
In diesen Sekunden gingen Hellmark viele Gedanken durch den Kopf.
Nur wenn es wirklich eine Verbindung mit den Mächten aus dem
Unsichtbaren, aus der Welt der Dämonen, zu jener Stelle gab, wo
Robertson sich nach seinem Unfall noch angeblich entfernt hatte
– dann würde er auch jetzt genau dorthin getragen werden,
wo das Ereignis bedrohlich sich auswirkte und eventuell wie ein
Moloch weitere unschuldige Menschen verschlang. Instinktiv
fühlte Hellmark, daß etwas eingeleitet worden war, mit dem
er sich auseinandersetzen mußte, ehe es weitere Kreise zog.
»Und ihr beiden macht keinen Unfug«, sagte er, sich Jim
und Pepe zuwendend. Seine Miene war ernst. »Ich will nicht,
daß ihr etwas plant ohne meine Erlaubnis, ohne daß ich
darüber unterrichtet bin. Jim - Pepe – ich denke, wir haben
uns verstanden?«
»Du willst also nicht, daß wir, wie du den Spiegel
benutzen?« fragte Pepe schnell.
»Genau! Es macht immer wieder Spaß zusehen, wie schnell
du verstehst…« Hellmark lachte. Er fuhr mit der Rechten
durch Pepes schwarzen Wuschelkopf. Und der Junge nickte eifrig.
»Okay, Björn. Das Versprechen kann ich dir geben«,
sagte der Vierzehnjährige aus den Urwäldern Yukatans.
»Und ich auch, Björn«, klang es bestätigend
aus Jims Mund.
Der schimmernde Spiegel lag wie ein See vor Hellmark. Und dann
sprang Björn. Als ob er in einen Teich springen würde. Die
Richtung und das Segment selbst konnte er nicht bestimmen. In dem
Augenblick, als er sich nach vorn warf und nur von dem Gedanken
erfüllt war, Unheil abzuwenden, wenn es für Jennifer Arnes
und Harald Robertson und für andere, von denen man vielleicht
bisher nur noch nichts wußte, existierte – von dem
Augenblick an war er ganz auf die über Jahrtausende
nachwirkenden geistigen Programme jener angewiesen, die dieses
Gebilde geschaffen hatten.
Gab es eine Station der Gefahr, die damals in der fernen Zeit des
Hestus schon eine Bedeuturig gehabt hatte und die nun wieder
bedeutungsvoll geworden war?
Innerhalb weniger Augenblicke würde er es genau
wissen…
Jedermann, der beobachten konnte, auf welche Weise Björn
Hellmark den Spiegel benutzte, wie er die Insel verließ,
wäre zweifelsohne im ersten Moment schockiert gewesen.
Deutlich war zu sehen, wie Hellmarks Körper förmlich von
einer unsichtbaren Macht angesogen wurde. Mit rasender
Geschwindigkeit veränderte sich dabei seine äußere
Form, seine Substanz und sein Volumen. Hellmarks Leib wurde zu einem
länglichen, grauen Rauchschweif, der von einer winzigen
Öffnung innerhalb eines bestimmten Segments angesaugt wurde.
Blitzschnell und lautlos spielte sich dieses ans Gespenstige
erinnernde Ereignis ab.
Der Nebelstreif verschwand, der graue, schimmernde
›Geistspiegel‹ hatte ihn aufgenommen, und Björn
Hellmark, der für den Bruchteil einer Sekunde nur noch aus purem
Bewußtsein bestand, hatte das Gefühl, in die Unendlichkeit
des Universums geschleudert zu werden.
Eine graue, raunende Welt hüllte ihn ein, die er
körperlos passierte, und dann erstand um ihn herum schon wieder
eine neue, andere Umgebung, die sich aus der Dunkelheit
schälte.
Hellmark fühlte festen Boden unter den Füßen.
In diesem Moment, als er an seinem vermutlichen Ziel ankam,
registrierte er etwas, das er instinktiv mit seinem Bewußtsein
voll aufnahm, ohne es jedoch später begreifen zu
können.
Ehe die Dunkelheit einer natürlichen Nacht ihn umhüllte,
sah er einen riesigen, regenbogenfarbenen Schleier, der diese
Dunkelheit durchsetzte und in dem ein nicht minder riesiges,
unheimliches Gesicht – eine Mischung zwischen Teufel und
Dämon – sich abzeichnete.
Ebenso schnell wie er dieses seltsame Bild in sich aufnahm,
verschwand es auch wieder, und die Dunkelheit ringsum – das
begriff er im ersten Moment – war die natürliche Dunkelheit
einer natürlichen Welt.
Er sah Büsche und Baume als Silhouette gegen den Himmel und
einen Pfad, der sich auf einem ansteigenden Erdwall unmittelbar in
seiner Blickrichtung befand.
Am bewölkten Himmel blinkten einzelne
Weitere Kostenlose Bücher