Macabros 075: Ustur - In den Ketten des Unheimlichen
jetzt nur noch aus
einem gähnenden, rot schimmernden Loch, dem die Unheimlichen
entfuhren wie einem Schlund.
Die dämonenzerstörende, göttliche Kraft der
Manja-Augen vertrieb sie aus dem Wirtskörper.
Die Geister, die Molochos gerufen hatte, mit denen er verbunden
sein wollte – sie verließen ihn…
Unwillkürlich ballte Hellmark die Hände zu Fäusten.
Außergewöhnliche Erregung hatte ihn gepackt.
Eine Ewigkeit schien vergangen, als das große Loch auf
Molochos’ Schultern sich wieder schloß und ein
natürliches, menschliches Gesicht sich zeigte. Klare, entspannte
Züge.
»Molochos«, kam es leise über Björns Lippen.
Vorsichtig näherte er sich dem aus Manja-Augen gebildeten Kreis.
»Ist dies die Verwandlung? Ist dies die Rückkehr zu den
Menschen, aus deren Reihen du gekommen bist?« Hellmarks Stimme
klang belegt.
Seine Blicke musterten den Gefangenen, dessen dunkle Augen auf ihn
gerichtet waren.
»Molochos… weshalb nennst du mich noch Molochos?«
Der Klang der Stimme war weniger hart, nicht so kalt, abweisend und
metallisch wie bisher. »Ich bin nicht… Molochos.«
»Wer bist du dann?« fragte Björn
überrascht.
»Ich weiß es nicht… noch nicht«, betonte sein
Gegenüber.
Nachdenkliche Falten entstanden auf der Stirn des Gefangenen.
Björn beobachtete sein Gegenüber genau. Und er fragte sich,
in wieweit die Wirkung der Manja-Augen für Molochos’
Verhalten verantwortlich zu machen war, inwieweit der
Dämonenfürst ihm vielleicht etwas vorspielte. Zu oft hatte
er erkennen müssen, wie trickreich Molochos zu agieren
verstand.
Also, hieß es auf der Hut sein…
Björn stellte Fragen. Würde und konnte der andere sie
ihm beantworten?
Ihn interessierte das wirkliche Schicksal jenes
Hauptwachtmeisters, in dessen Körper Molochos hier aufkreuzte.
Der verlassene Leib hatte sich indessen vollkommen und ohne
Rückstand aufgelöst.
Björn erfuhr, daß Webert okkulte Bräuche pflegte
und Teile aus dem ›Buch der Totenpriester‹ kannte. Webert
hatte Okkultismus und schwarze Magie praktiziert, und auf diese Weise
kam es zum Zusammentreffen mit Molochos, der – wiederum mal auf
der Suche nach einem neuen Körper – sofort brutal zugriff,
Weberts Leben aus dessen Leib vertrieb und sich von da an des neuen
Körpers bediente. Weder die Kollegen, noch Weberts Frau merkten
etwas von dem Tausch. Mit der Übernahme des Körpers hatte
Molochos auch das gesamte Wissen und die Eigenarten des Mannes
übernommen, der sein Opfer wurde.
»Aber es war kein Zufall, daß ausgerechnet Webert
ausgewählt wurde, nicht wahr?« interessierte sich
Björn Hellmark.
»Nein. Das war gewollt… es hängt mit diesem Haus
zusammen.«
»Du hast die Begegnung mit mir vorausgeahnt?«
»Nein. Ich habe die Begegnung mit Ustur gesucht. Und wollte
Hinweise auf die Weiterentwicklung der Toten.«
Björn erinnerte sich daran, daß der Name Ustur
unmittelbar nach Molochos’ Gefangennahme aus seinem Mund
gekommen war. Der Dämonenfürst schien vor diesem anderen
Dämonenführer so etwas wie Furcht zu haben.
Die Geschichte der Welten der Finsternis zeigte, daß die
großen Dämonenführer sich untereinander uneins waren,
daß jeder beabsichtigte, seinen Nutzen und Einflußbereich
zu vergrößern.
Demnach schien Molochos gar nicht einer jener Großen zu
sein, für den man ihn allgemein gehalten hatte.
»Komm’ zurück, Molochos, auf die Seite der Menschen
und kämpfe mit uns gemeinsam gegen die Feinde, zu denen du noch
gestern gehört hast«, sagte Hellmark mit fester Stimme.
»Ist es für dich noch immer so erstrebenswert, ewiges
Dämonenleben zu besitzen? Oder war deine Beschwörung damals
auf Xantilon nicht bloß ein Irrtum?«
Hellmark versuchte zu erkennen, wo er die Grenzen seines Dialoges
mit Molochos abstecken mußte. Begriff der im Bann der
Manja-Augen Stehende, was er von ihm wollte? Wenn alle
Aktivitäten im Lauf der Jahrtausende, da Molochos sich
dämonisches Leben angeeignet hatte, auf die Teufel in ihm
zurückzuführen waren, war dies die Chance zu einem
phantastischen Neubeginn, dessen Ausmaß er sich nicht
vorzustellen wagte.
Molochos war informiert über die Strategie der
Dämonenführer, Molochos kannte die Reiche der Finsternis,
ihre Stärken und Schwächen, und wenn es gelang, ihm sein
Menschendasein neu bewußt und lebenswert zu machen, war damit
zu rechnen, daß er Geheimnisse preisgab, in die bisher nur er,
der Rha-Ta-N’my-Günstling, Einblicke fand.
Molochos kam nicht mehr dazu, auf Hellmarks
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