Macabros 075: Ustur - In den Ketten des Unheimlichen
durchquerte den folgenden, schummrigen Raum und konnte die
gegenüberliegende Tür ohne weiteres öffnen. Dahinter
begann eine steil aufwärts führende Treppe, die in eine
dunkle, schwindelerregende Höhe führte.
Es ging um sein Leben. Er hatte keine Zeit zum Denken, was aus
dieser Situation vielleicht werden könnte. Schritte waren hinter
ihm. Eglund verfolgte ihn.
Wie von Furien gehetzt, rannte Koster über die schmalen
Stufen in die Höhe. Die Treppe wollte kein Ende nehmen.
Seine Kräfte ließen nach. Er war nicht mehr der
Jüngste. Das Herz begann zu klopfen, der Schweiß brach
aus, und es schien dem Flüchtenden, als würde mit jeder
Stufe, die er hinter sich brachte, sein Körper um Pfunde
schwerer.
Doch die Verzweiflung und die Angst trieben ihn weiter. Er durfte
nicht aufgeben. Er hatte nur die eine Chance…
Er warf keinen einzigen Blick zurück, hetzte weiter und trieb
sich zu äußerster Leistung an.
Denn auch der längste Weg hatte mal ein Ende. Und das
erreichte er bald.
Die oberste Treppe war da – aber kein Ausgang. Eine steinerne
Wand, türmte sich vor ihm auf!
Wie ein Verzweifelter suchte Ullrich Koster nach einer verborgenen
Tür, nach einem Mechanismus, der vielleicht einen Geheimgang
freigab.
Beides existierte nicht.
»Die Mühe hätten Sie sich ersparen
können!« tönte es mit Stentorstimme hinter ihm in der
Tiefe.
Dr. Eglund stand auf halber Treppe und blickte zu ihm hoch.
»Ich hätte Ihnen gleich sagen können, daß es da
nicht weitergeht. Sie haben den falschen Weg gewählt,
Koster…« Der Däne lachte hintergründig und kam
näher.
Koster fühlte, wie ihm die Knie weich wurden und die
Kräfte ihn verließen. Die Strapazen der letzten Nacht,
das, was er hier erfahren hatte, und die übereilte Flucht waren
nicht spurlos an ihm vorüber gegangen.
Schweratmend hockte er auf der Treppe, und der Schatten Eglunds
fiel über ihn.
Koster atmete schwer. Seine Lungen keuchten.
»Machen Sie meinetwegen mit mir was Sie wollen«,
preßte er erschöpft zwischen den Zahnen hervor. Er
saß nach vorn gebeugt und starrte auf seine
Fußspitzen.
»Genau das werde ich tun, Koster«, erhielt er zur
Antwort.
Eglund hielt eine Spritze in der Hand, schob Kosters Ärmel in
die Höhe und injizierte den Inhalt des Kolbens unter die Haut
des Unterarmes.
Gleich darauf fühlte Ullrich Koster sich seltsam
schläfrig. Er folgte seinem Widersacher wortlos und
widerstandslos.
Jeglicher Zeitbegriff war ihm verloren gegangen, als er wieder
unten in dem mit Apparaten und Instrumenten ausgestatteten Raum
ankam, wo er zuletzt mit Eglund gesprochen hatte.
»Und jetzt… was wollen… Sie von mir?«
hörte Koster sich mit fremder Stimme fragen.
»Nur eine Kleinigkeit, Koster. Ich habe hier zwei, drei
interessante Fotos, sogenannte Gedankenfotografien, die von jenem
anderen, inzwischen verstorbenen Medium stammen. Es ist mir klar
geworden, daß in aller Kürze, unweit von hier auf einem
felsigen, unbewohnten Eiland westlich dieser Höhle, etwas
geschehen wird, das unter Umständen mein Leben von Grund auf
verändert. Was sich in Umrissen dort abzeichnet, läßt
mich nicht mehr los. Sie sind im Moment der einzige, der mir Kenntnis
von diesen Dingen geben kann, ehe sie
eintreten …«
Mit diesen Worten zog Eglund die mittlere Schublade auf und legte
Ullrich Koster drei großformatige Fotos vor.
Koster mußte sich im stillen eingestehen, daß er
einerseits seltsam willenlos und körperlich schwach war, auf der
anderen Seite jedoch erfüllte ihn ein Tatendrang, der ihn selbst
verwunderte.
Er sah sich die Fotos an.
Auf einem war eine felsige Landzunge zu sehen, die sich
terrassenförmig in die Höhe schraubte.
Auf dem zweiten war der gleiche Fels zu erkennen, auf dem sich
jedoch schemenhaft eine seltsame Gestalt zeigte.
Das dritte Bild zeigte die Gestalt mit beinahe fotografischer
Genauigkeit, daß man meinen konnte, der Fotograf habe wenige
Meter von diesem Motiv entfernt gestanden und die Aufnahme
geschossen.
Koster hatte nie zuvor einen Menschen dieser Art gesehen.
War es überhaupt ein Mensch, der dort auf dem kahlen Felsen
stand?
Die muskulöse Gestalt präsentierte sich in
kämpferischer Pose, trug schwere Ringe aus Metall um Armgelenke
und Oberarme und war nur mit einem zerfetzten Lendenschurz bekleidet.
Über den durchtrainierten Leib spannte sich ein Gürtel.
Doch der Merkwürdigkeiten nicht genug.
Außer seinen zwei muskelbepackten Armen verfügte dieser
unheimliche Mensch über zwei riesige,
Weitere Kostenlose Bücher