Macabros 081: Wrack der namenlosen Götter
Er
fieberte vor Aufregung und bedauerte, daß Juan nicht dabei sein
konnte. Der Freund würde wie auf heißen Kohlen sitzen.
Wahrscheinlich konnte er kaum erwarten, mit welcher Nachricht er aus
dem Schiffswrack zurückkehrte.
Amalla mußte diese Kostbarkeiten alle zu Gesicht bekommen.
Sonst war die Freude, die er empfand, nur halb soviel wert.
Chancell lief den breiten Mittelgang nach vorn und öffnete
dabei eine Tür nach der anderen. Die meisten Kabinen fand er
jedoch leer vor. Dies waren offensichtlich Laderäume und die
Kajüten für die Mannschaft. Einige Kabinen befanden sich in
sehr schlechtem Zustand, andere ließen erkennen, wie die
vermeintlichen Fremden mit dem stark gekrümmten Rücken und
dem spitzen Kopf gelebt hatten. Auch die Liegen waren ihrer
Körperform angepaßt.
An einigen Stellen in der Schiffswand gab es riesige Löcher,
die der Rost gefressen hatte. Die Löcher waren verstopft mit
Schlinggewächsen, in denen Kleinlebewesen hausten, Käfer
und sogar Schlangen.
Eine gewundene Treppe, die noch völlig erhalten war,
führte in einen ovalen Raum, der genau in Schiffsmitte lag.
Chancell wußte nicht, wohin er zuerst blicken sollte. Er
glaubte sich auf den Leitstand eine fremden Raumschiffes auf einem
fernen Planeten versetzt.
Hier blinkte es vor Sauberkeit, hier hatte der Zahn der Zeit sein
Zerstörungswerk nicht beginnen können.
Das Metall war von einer hochglänzenden, wie lackiert
aussehenden Schicht überzogen.
Mehrere Elemente, die an bequeme Schalensessel erinnerten, standen
in genauer Anordnung in dem Raum, an dessen glatten Wänden ein
einziges Symbol riesig und mit kräftigen Farben zu sehen
war.
Das. Modell eines Atoms!
Man mußte schon äußerst ungebildet sein, um
dieses Symbol nicht zu verstehen.
Da kam überhaupt nicht mehr der Gedanke auf, es könne
sich um die sinnbildliche Darstellung einer Sonne mit ihren Planeten
handeln. Soviele Planeten konnte eine Sonne gar nicht haben.
Groß und rot war der Atomkern und sah aus wie ein
großes Lacksiegel, das sich von der Wand abhob.
Die Elektronen, Protonen und Neutronen waren ebenfalls als
buntschillernde runde Placken dargestellt, die durch dünne
Striche miteinander verbunden waren. Das waren die Umlaufbahnen der
»Teilchen«.
Es war alles sehr verständlich.
Und doch in höchstem Maß rätselhaft.
Was hatte ein Atommodell, das auch der menschliche Verstand
erdacht hatte und begreifen konnte, in diesem mysteriösen Wrack
zu suchen?
Als würden ihn unsichtbare Hände nach vorn schieben,
durchquerte er den ovalen Raum, von dem aus mehrere ebenfalls ovale
Öffnungen wieder auf die anderen Gänge führten.
Friedrich Chancell stand gleich darauf vor der riesigen Wand mit
dem Modell. Erst aus der Nähe erkannte er auch die zahlreichen
Symbole, die man nur sah, wenn man in einem bestimmten Winkel vor der
Wand stand. Diese Symbole glichen genau denen, die das
geflügelte Skelett am Mast auf Deck auf dem leuchtend
orangefarbenen Umhang trug!
*
Im Mikrokosmos war nur ein Bruchteil der Zeit vergangen, die in
der Normalwelt abgelaufen war…
Macabros hielt sich an Sephoos’ Seite. Der geflügelte
Insektoide deutete auf die Schächte am Fuß des
Berghanges.
»Dies sind die Zugänge in die Unterwelt. Dort unten, in
den tiefsten Tiefen, haust Nh’or Thruu, der Vernichter meines
Volkes, der unrechtmäßige Herrscher dieser Welt. Mein Ziel
ist es, ihn auszulöschen und meine Rasse als
rechtmäßigen Erben wieder einzusetzen. Wenn wir beide
für dieses Ziel kämpfen würden, wäre es bestimmt
einfacher, die alten Gesetze wieder einzuführen…«
Sephoos ging noch zwei Schritte weiter und näherte sich einem
der riesigen Erdlöcher. Vom Rand her beugte er sich ein wenig
nach vorn, als wolle er etwas Bestimmtes in der Tiefe beobachten.
»Ich muß vorsichtig sein«, wisperte er.
»Nh’or Thruu hat die Gabe, Gefahren frühzeitig zu
erkennen. In meinem besonderen Fall – davon kann ich ausgehen
– gelingt ihm das nicht immer. Ein Wissenschaftler meines Volkes
verstand die Kunst der Magie und hat einen fernen Nachfahren
auserwählt, zum Urvater einer neuen Rasse zu werden. Auf mich
fiel die Wahl…«
Macabros stand an Sephoos’ Seite und starrte ebenfalls in die
glosende Tiefe. Der Schacht führte glatt und kerzengerade in den
schwindelerregenden Abgrund.
»Dies soll ein Zugang in die Unterwelt sein?« fragte
Hellmark verwundert. Wie mußten die Wesen beschaffen sein, die
in einen solchen Stollen vordringen konnte, ohne
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