Macabros 095: Verschollen in Dwylup
nicht verklungen, da war das
Donnergrollen aus der Ferne schon zu hören. Wind kam
plötzlich auf, und die ersten Regentropfen klatschten auf sie
herab.
Pater Frio bat seine neuen Gäste in die kleine Kapelle, in
der der Gottesdienst stattfinden sollte.
Draußen begann es zu stürmen.
Hellmarks Blick ging durch die beiden Fenster ins Freie. Jenseits
des eingezäunten Geländes begann die mächtige,
undurchdringliche Dschungelwand.
Irgendwo in dieser grünen Hölle waren jetzt
möglicherweise Richard Patrick und sein Begleiter. Vielleicht
waren sie tot, vielleicht aber auch noch am Leben. Über ihr
Schicksal ließen sich nur Mutmaßungen anstellen.
Er hatte die Fähigkeit, einen Versuch zu unternehmen, Richard
Patricks Schicksal unter Umständen aufzuklären, ohne auch
nur einen Schritt vors Haus setzen zu müssen.
Das tat er.
Er verdoppelte sich und ließ Macabros entstehen…
Als es draußen zu stürmen und zu gewittern begann,
saßen sie im Trockenen, während Macabros rund zwanzig
Meilen von der schutzbietenden Missionsstation entfernt mitten im
Amazonasdschungel materialisierte.
Es handelte sich um den Ort, den Richard Patrick mit einem roten
Kreuz in seiner Skizze markiert hatte.
Der Wind rauschte in den Blättern. Auch hier setzte das
Unwetter schlagartig ein. Blitze zuckten über den finsteren
Himmel, und es schien, als wollten sie das Firmament aufspalten.
Regen prasselte herab und wurde durch das Blattwerk der
dichtstehenden Bäume aufgehalten.
Macabros suchte die Umgebung ab, in der er angekommen war. Weder
Regen noch Sturm irritierten ihn.
Er stieß auf die Spuren eines Lagerfeuers, und dann
entdeckte er mehrere Streben, wie sie zum Stützen der
Flügel bei Sportflugzeugen benutzt wurden.
Erregung packte ihn.
Instinktiv warf er einen Blick nach oben, in der Erwartung,
daß das Blätterdach an dieser Stelle durch die Wrackteile
aufgerissen war. Aber das war nicht der Fall.
Zwischen den Zweigen eines Busches mit dicken, speckig
glänzenden Blättern machte er einen neuen Fund.
Mehr als zwei drittel des Heckruders hingen daran.
Hier war eine Maschine abgestürzt.
Aber – welche?
Die, mit der Longfield geflogen war, oder jene, in der sich sein
Freund Richard befand?
Er wußte nichts über den Typ, nichts über das, was
sich hier abgespielt hatte. Aber eins schien sicher zu sein:
zumindest einer der Abgestürzten hatte überlebt. Davon
zeugte das Lagerfeuer, das höchstens drei bis vier Tage alt war.
Deckungsgleich mit der Zeitspanne, die seit Patricks Aufbruch
verstrichen war…
Macabros verdoppelte seine Anstrengungen. Wenn jemand
davongekommen war, dann sicher mit einigen Handicaps. Er war schwach,
verletzt, hatte Hunger und Durst. Und er war auf der Suche nach der
Station.
Ohne Hilfsmittel war es ihm kaum möglich, weit zu kommen.
Vielleicht hatte er sich längst in der Richtung verirrt oder war
von einem wilden Tier angefallen und zerfleischt worden.
In der zunehmenden Dunkelheit wurde seine Suche nach einem
eventuell Überlebenden erschwert.
Der Gewitterregen strömte nun vom Himmel, und auch die
dichten Wipfel konnten diese Sturzflut nicht mehr
zurückhalten.
Ein ungeheurer Sturm stemmte sich ihm entgegen. Wenn die Blitze
zuckten, dann wich die Dunkelheit und einige Sekunden wurde es
taghell.
Dann wirkten die riesigen Bäume wie bizarre Gespenster und
die Schlagschatten trafen sein Gesicht. Durch das zuckende Blitzen
schien die Welt um ihn in Bewegung zu geraten.
Macabros suchte eisern jeden Meter ab. Er hätte sich
blitzschnell von einer Stelle zur anderen ’versetzen
können, aber das hätte keinen Sinn gehabt. Wenn
überhaupt eine Möglichkeit bestand, noch mal die Spur
aufzunehmen, die hier mitten im Herz der Wildnis existierte, dann
nutzte nur ein systematisches Vorgehen etwas. Er mußte in jeder
Himmelsrichtung ein paar Schritte weit suchen. Vielleicht hatte er
Glück.
Jede Aktion, die Macabros unternahm, wurde von Hellmarks
Bewußtsein wahrgenommen.
Er erlebte beide Abenteuer gleichzeitig.
Hier im Schutz der Kapelle, in der sich die schwarzen
Gläubigen, die Schwestern und Patres zusammengefunden hatten, um
zu beten – dort, einsam und verloren im Dschungel, auf den
Spuren einer Person, die mit dem Flugzeug abgestürzt war.
Jedesmal, wenn der Sturm sich einen Moment legte, als würde
er den Atem anhalten, um dann um so lauter loszuprusten, jedesmal,
wenn der Donner verebbt war, begann er nun zu rufen.
»R-i-c-h-a-r-d! R–i–c–h! Hallo? Ist da
jemand?«
Die
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