Macabros 095: Verschollen in Dwylup
Schultern.
»Das ist ein Fall für dich, Björn«, sagte Rani
leise.
»Du hast recht. Aber anders, als du es dir denkst. Ich bin
anderweitig vollauf beschäftigt. Ich habe Rich gefunden. Es geht
ihm verdammt schlecht. Er braucht dringend ärztliche
Behandlung.«
Hellmark warf sich herum und stürzte zur Tür. Mahay
blieb dem Freund auf den Fersen.
Sie stürmten durch die Gewitternacht, obwohl Pater Frio
hinter ihnen herrief und sie ermahnte, unbedingt im I laus zu
bleiben. »Da sind Zeichen am Himmel…, genau wie vor drei
Tagen.
Es bildet sich wieder so ein Trichter aus.« Er brüllte
wie von Sinnen, um das Brausen des Windes, das Prasseln des Regens
und das ohrenbetäubende Grollen des Donners zu
übertönen. »Wo um Himmels willen wollen Sie denn jetzt
hin?!«
»Da versucht jemand in die Station zu kommen«,
brüllte Hellmark nach hinten. Der Wind drückte ihn seitlich
ab. Er mußte sich mit seiner ganzen Kraft dagegenstemmen.
»Eine Frau… sie ist vorn am Tor!«
Die Tür krachte gegen die Wand. Pater Frio wurde von der in
das Haus wehenden Böe wie ein welkes Blatt in den Korridor
zurückgetrieben.
Zwei, drei Eingeborene und eine Ordensschwester kümmerten
sich um den Mann und waren ihm auf die Beine zu kommen
behilflich.
»Eine Frau – wo kommt sie jetzt her?« murmelte
Pater Frio verwirrt. »Bei diesem Wetter… der Dschungel ist
doch kein Spazierpfad.«
Mit vereinter Kraft schafften es drei Eingeborene, die Tür
gegen Wind und Regenwand zuzudrücken.
Die Eingeborenen, Schwestern und Patres standen eng
zusammengedrängt an den Fenstern und starrten in die
Gewitternacht, wo sich eine ungeheuerliche Szene abspielte.
Da waren Rani Mahay und Björn Hellmark, die gegen den Sturm
ankämpften. Sie wirkten wie Schemen in der Regenflut.
Da war die Unbekannte, wie ein Gespenst, die nicht mehr in der
Lage war, auf die Beine zu kommen. Und da tauchte noch jemand
auf… Ein Mann! Er taumelte auf das Tor zu und versuchte der Frau
zu Hilfe zu kommen. Er war wie sie aber am Ende seiner Kraft,
stürzte und wurde wie ein welkes Blatt über den Boden
getrieben. Er suchte nach einem Halt, fand aber keinen.
Mahay und Hellmark kam es vor wie eine Ewigkeit, ehe sie die
hundert Meter bis zum Tor zurückgelegt hatten.
Björn konnte Macabros nicht zurückholen. Mit seinem
Zweitkörper versetzte er sich im gleichen Moment zusammen mit
dem besinnungslosen Richard Patrick mitten nach Rio de Janeiro und
materialisierte im Hof eines der modernsten, ihm bekannten
Krankenhäuser. Er wußte nicht, wie schwer die
Verletzungen, wie schlimm der Zustand Patricks war. Hier in diesem
Hospital gab es Spezialisten. Tropenkrankheit und
Erschöpfungszustände konnte man sicher auch in dem kleinen
Krankenhaus der Missionsstation gut behandeln, aber wäre
Hellmark als ›Zwilling‹ dort aufgetaucht, hätte es nur
noch mehr Ratlosigkeit und Verwirrung gegeben.
Björn und Rani erreichten zur gleichen Zeit das Tor. Mit
ruckartiger Bewegung legte der Herr von Marlos den Riegel um. Der
Wind, der das Gittertor durchrüttelte, trieb ihm den einen
Flügel gegen den Körper.
Björn bückte sich, um nach der Frau zu greifen. Seine
Hände stießen ins Leere, denn in diesem Moment
verließen die Frau ihre Kräfte.
Sie hatte losgelassen, rutschte über den Boden und wurde von
dem sintflutartigen Regen, der die beiden Freunde innerhalb weniger
Sekunden bis auf die Haut durchnäßt hatte,
weggespült.
Rani Mahay, der die Absicht hatte, dem ebenfalls bis an die
Grenzen seiner Leistungsfähigkeit geschwächten Begleiter
der Unbekannten zu Hilfe zu kommen, sah es zuerst.
Im Himmel über ihnen entstand ein röhrenförmiger
Wirbel, der wie eine Windhose alles in sich hineinsog, was ihm gerade
in den Weg kam.
Kleine Bäume und Steine wurden emporgehoben. Mit
unvorstellbarer Saugkraft jagte der Wirbel am Zaun entlang. Es
schien, als würde er sogar versuchen, die Eisenpfähle aus
dem Betonsockel herauszuziehen.
Rechts neben dem Eingang stand eine Bank. In Anbetracht der
Tatsache, daß während der letzten Wochen des öfteren
gefährliche Wettersituationen entstanden waren, hatte Frio sie
durch starke Ketten sichern lassen.
Diese Ketten hatten die Bank bisher gehalten. Aber der
unbarmherzigen Gewalt, der sie dann ausgesetzt waren, widerstanden
auch die schmiedeeisernen Kettenglieder nicht mehr.
Mit schrillem, kreischendem Ton zerrissen sie. Die Bank wurde in
die Höhe gezogen, als hätten die unsichtbaren Hände
eines Titanen sie gepackt.
Mit
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