Macabros 103: Nebel-Labyrinth des Tschonn
weniger
überrascht war als er.
Auf Macabros’ gezielte Fragen wußte auch er keine
Antwort. Dabei war er ein Eingeweihter! Aber diese Tatsache zeigte,
daß der Schlafende denen, die ihm dienten und denen er
Kräfte verlieh, nicht alles sagte.
Vielleicht war sein Geheimnis so bedeutsam, daß sie es nicht
wissen durften oder erst zu einem Zeitpunkt erfuhren, da es dem
Schlafenden größeren Nutzen bringen konnte.
»Verliert keine Sekunde!« Macabros reagierte schnell und
konsequent. »Befreit sie! Alle…«
Seine Entscheidung war richtig.
Drei Spiegelflächen weiter wurde er Zeuge eines Vorgangs, der
ihm zeigte, daß die geheimnisvolle Kraft hier in der Tiefe des
Schwarzen Flusses auf eine weitere Loark-Frau einwirkte.
Aus der Dunkelheit der Spiegelfläche glitten dünne
schwarze Fäden, die Ähnlichkeit mit Spinnweben hatten, auf
den Körper der Zweidimensionalen zu.
Sie ringelten sich um den Leib wie hauchdünne Lianen und
bohrten sich dann wie Würmer in die Bauchdecke. Die Frau schien
von alledem nichts zu bemerken.
Macabros mußte an die Tentakel denken, die in allen Formen
und Größen hier im Lande Krosh verehrt wurden. Die
Tentakeln waren der Inbegriff der Kraft und der Macht des vielarmigen
Schlafenden, der seine Hand nach der ganzen Welt
ausstreckte…
Die Priester bildeten einen Kreis.
Sie reckten die sieben Schwerter in die Höhe, daß die
Spitzen einander berührten.
Und dann stieg der grüne Blitz daraus empor.
Wie eine Schlange ringelte er sich in die Höhe, legte sich
dann quer und lief, immer schneller werdend, in die Dunkelheit
hinein.
Überall dort wo ein ›Spiegelgefängnis‹ stand,
löste sich ein grüner Tropfen. Die dunklen Glasflächen
wurden matt, und dann kippten Gestalten nach vorn, Gestalten, die
aussahen wie hauchdünne Folien in Menschenform. Und während
sie nach vorn kippten, gewannen sie an Umfang, wurden dicker,
voluminöser und nahmen ihre dritte Dimension wieder an.
Auf dem erstarrten Flußbett wimmelte es mit einem Mal von
Leben.
Die Loark-Frauen waren frei. Unter ihnen, als einziger Mann –
Bolonophom! Auch ihn hatte man wieder auf diese Weise in Gewahrsam
genommen, nachdem Harry Carson und Macabros in den Hinterhalt geraten
waren. Auf welche Weise Bolonophom dem Schlafenden oder den Priestern
dienen sollte, dies würde wohl nie herauskommen…
Die unheimlichen Dimensionsgefängnisse wurden leer. Frauen
fielen sich um den Hals und weinten Freudentränen. Es gab
manches zu erklären. Keine Einzelheiten. Dazu war jetzt keine
Zeit. Macabros wollte keine neue Aktion des Schlafenden
auslösen, eine Aktion, die wie ein Sturmwind aufkam, ein Orkan,
der ihn und Bolonophom und die kürzlich befreiten Loark-Frauen
wie welke Blätter durch die Luft gewirbelt hatte.
Aus allen Richtungen liefen die gefangenen Frauen zusammen. Es
waren mehr als siebzig.
Sie verließen mit Macabros, Bolonophom, Harry Carson und den
Priestern des Schlafenden das unterirdische Verlies.
Der Schlafende machte in diesen Minuten seinem Namen alle
Ehre.
Er verhielt sich völlig still, als gäbe es ihn
überhaupt nicht…
*
Ohne Zwischenfall kamen sie wieder in der Halle bei den
Finsterlingen an.
Der eigenartige Zug bewegte sich auf die saalartige Halle zu, in
der die Finsterlinge mit der Gallertkugel ausgestattet wurden.
Dort stand alles still.
Der dunkle Schatten über den Gestalten war erstarrt. Es
schien, als würde der riesige Saal den Atem anhalten. Die
gleiche Atmosphäre wie auf dem Schwarzen Fluß war
spürbar.
Die unheimliche Stille und Bewegungslosigkeit, die alles
beherrschte, waren bedrückend.
Macabros hatte einen Verdacht.
Der Schlafende war betäubt, wie gelähmt. Das mußte
seinen Grund haben.
Hing dieser Zustand damit zusammen, daß der Kontakt zu den
Priestern gestört war? Das Interesse galt nicht mehr ihm, dem
Schlafenden, sondern dem Neuen, der nicht verwundbar war, der durch
seine Anwesenheit bewies, wozu er fähig war. Bei dem Schlafenden
dagegen schien alles nur eine Idee, eine vage Vorstellung zu
sein…
Wie lange dieser positive Zustand für ihn, Macabros, anhielt,
wußte er nicht. Um so wichtiger war es, schnell zu handeln und
keine unnötige Zeit zu verlieren.
Die Gestalten auf dem Schattenband standen still. Enthauptete
Loarks! Für sie konnte niemand mehr etwas tun. Sie waren tot,
aber nach dem natürlichen Ende ihres Daseins begann ein neues
›Leben‹ für sie. Das Leben der Untoten, bewirkt durch
eine kleine Gallertkugel und ein technisches
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