Macabros 106: Die gläsernen Dämonen von Etak
tot…
Im Tod verpuffte die Kraft, die sie in sich aufgenommen hatte, die
Kraft aus dem Körper eines jungen Opfers.
Im Halbdunkel waren die Veränderungen und der Verfall ihres
Leibes dennoch deutlich zu sehen.
Die Haut wurde welk und runzlig, die Haare grau, schließlich
weiß und dünn.
Die Augen sanken ein, um die runzligen Lippen bildete sich im Tod
ein scharfer, sarkastischer Zug, die Fingernägel wurden
brüchig.
Innerhalb von zwei Minuten alterte dieses junge Mädchen von
höchstens zwanzig Jahren, das sie gewesen war, um die sechzig,
um die sie die Natur betrogen hatte.
Eine uralte Frau saß vor ihnen. Madame Fraque, wie jedermann
in der Umgebung sie kannte.
Rani drückte ihr die matten, kleinen Augen zu.
»Vielleicht hat sie doch noch bereut… vielleicht«,
murmelte er ergriffen… »Und wenn es nur eine zehntel
Sekunde vor ihrem Ende war. Was in einem Sterbenden wirklich vorgeht,
weiß nur der, dem die Stunde geschlagen hat… mir wäre
allerdings wohler, wenn ich’s wüßte. Was immer in
diesem Haus geschieht, erfüllt mich mit Unbehagen. Sie war nicht
frei, verhaftet den Mächten der Finsternis und verbunden mit den
höchsten Namen im Dämonenreich. Wenn ihr Geist nachwirkt,
wenn er ruhelos durch das Reich zwischen Leben und Tod streift, dann
steht uns noch einiges bevor…«
Doch darüber wollte er jetzt nicht nachdenken.
Es gab noch andere Probleme.
Da war die Fremde. Da gab es die Bemerkung, die sie über
Danielle gemacht hatte. Ein Mordanschlag auch auf sie? Und es gab den
Moment des Fallens, genau eine zehntel Sekunde, bevor der Schuß
losging… und es gab den Knoten im Lauf des Derringers… eine
Farce – wie in einer wilden Komödie. Man hätte
darüber lachen können, wären die Dinge nicht so ernst
gewesen.
Da war ein Mordkomplott im Gang. Danielle und er sollten
sterben!
Die Tochter des Comte de Noir nickte, als Mahay die Sprache darauf
brachte.
»Wenn es um die Dämonen und deren Machtgier geht, ist
man vor Überraschungen nie sicher«, murmelte sie
nachdenklich, ohne Marie Rouvier aus den Augen zu lassen, die mit dem
Rücken zur Wand stand, und vor ihr hatten Danielle und Rani sich
aufgebaut, so daß ein Fluchtversuch schon im Ansatz zum
Scheitern verurteilt war. »Als ich nach draußen ging, war
ich auf der Hut. Niemand war sicher, wer um diese merkwürdige
Zeit noch hierherkommen konnte. Es konnte tatsächlich ein
zufällig vorbeikommender Gast sein, es konnte aber auch einer
sein, den man geschickt hatte. Das Letztere, Rani, traf leider
zu.
Als ich auf sie zuging, sah ich es in ihrer Hand aufblitzen. Der
Derringer! Ohne meine Hexenkräfte wäre ich verloren
gewesen. Ich stand zu dicht, als daß sie mich hätte
verfehlen können. Ich war eine zehntel Sekunde schneller als
sie. Im Denken und Handeln. Sie schoß. Doch sie war nur der
Meinung, direkt auf mich zu zielen. Ich übernahm in diesen
Sekunden zum ersten Mal mit meinen Hexenkräften die Kontrolle
über die Waffe.
Ich hätte sie zwingen können, den Derringer gegen sich
selbst zu richten. Doch damit wäre uns nicht gedient gewesen.
Ich mußte wissen, was sie im Schild führte, wer sie ist
und wer sie geschickt hat… Scheinbar getroffen stürzte ich
also zu Tod. Hätte ich die Waffe in ihrer Hand auch nur den
Bruchteil einer Sekunde später bemerkt, wäre aus dem Spiel
leicht blutiger Ernst geworden. So aber ließ ich den Blutfleck
in Höhe meines Herzens nur zum Schein entstehen, um sie vom
Erfolg ihrer Mission zu überzeugen.
Sie war zur Mörderin geworden. Das schreckte sie nicht. Sie
wußte nichts davon, daß die Kugel, die mir galt, in
Wirklichkeit in die Hausmauer hinter mir eingeschlagen war. Sie hatte
die Waffe aufgrund meines Eingreifens viel höher
gehalten…
Ohne sich weiter um mich zu kümmern, eilte sie schnurstracks
ums Hotel herum und lief in den Keller.
In sicherer Entfernung folgte ich ihr, um herauszufinden, was sie
noch vorhatte.
Ohne zu zögern legte sie auf dich an, während du mit
Charmaine Fraque sprachst…«
»Alles andere kann ich mir denken«, fügte Rani
hinzu, als sie schwieg. »Da hast du mir erst die Beine unterm
Leib weggerissen und dann den Lauf des Derringers ein wenig
verbogen…« Er legte den Arm um ihre Schulter.
»Wenn man glaubt, eine Gefahr in den Griff bekommen zu haben,
taucht eine andere auf«, seufzte Danielle. »Ich möchte
nun zu gern wissen, wie das alles zustandegekommen ist…«,
fügte sie hinzu und wandte sich mit diesen Worten an Marie
Rouvier. »Wer bist
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