Macabros 106: Die gläsernen Dämonen von Etak
ein breiter Pfad
tief in den Dschungel hinein- oder hinausführte. Es kam darauf
an, aus welcher Richtung man es sah.
Zwischen den Stämmen waren igluartige Häuser und
Hütten zu sehen. Dort wohnten Traphilen.
Seltsam, daß sie keine Wachen aufgestellt hatten.
Von hier aus waren es nur noch wenige Meter bis zu dem freien
Platz, wo Macabros vor rund fünf Wochen den Steinernen
Götzen zerstört hatte. Mit dem Tod des Winzlings aus Etak,
der im Lauf einer langen Entwicklungsgeschichte bereits eine so
gewaltige Macht entfaltet hatte, war der Steinerne in Schutt und
Asche gesunken…
Macabros war gespannt darauf, wie der Ort seit seinem Weggehen
sich verändert hatte. Schon als er sich dem Platz hinter der
Blätterwand näherte, sah er den schwarzen Turm, der wie
eine Wand vor ihm aufragte.
Der Steinerne Götze – war wieder errichtet?!
*
Rani Mahay hörte das leise Knacken. Sich umzudrehen, um nach
der Ursache des Geräuschs zu sehen, dazu kam er nicht mehr.
Da fiel der Schuß, hart und trocken, und das Echo rollte
durch das Kellergewölbe.
Im gleichen Augenblick wurden Mahay die Füße unterm
Leib weggerissen, als würde ihm jemand einen riesigen
Knüppel gegen die Beine werfen.
Der Inder konnte den Sturz nicht verhindern.
Dies rettete ihm das Leben.
Die Kugel sauste haarscharf über ihn hinweg, hätte ihn
normalerweise mitten zwischen die Schulterblätter getroffen.
Es ging alles blitzschnell über die Bühne.
Charmaine Fraque schrie auf.
Die Kugel, die Mahay zugedacht war, traf sie in die Brust!
Die Französin riß Mund und Augen auf und gab einen
spitzen Schrei von sich.
Sie konnte nicht aufspringen, sie konnte nicht mal nach vorn
kippen, da ihre Körperfunktionen durch Whiss und das PSI-Feld
beeinträchtigt waren.
Ihr Kopf fiel langsam auf die Brust, und oberhalb ihres Herzens
zeigte sich ein dunkler, rasch größer werdender
Blutfleck.
Mahay warf sich im Fallen noch herum, um den
schießwütigen Gegner ins Auge zu fassen, um dessen
nächste Aktion besser zu erkennen und sich darauf
einzustellen.
Da stand eine junge Frau, schlank, blond…
Sie wirkte einen Moment durch das Geschehen, das nicht in ihrem
Sinn verlaufen war, selbst schockiert.
Mahay, der nicht begriff, wieso er quasi im entscheidenden
Augenblick gefallen war, als hätte ihm absichtlich jemand einen
Schubs versetzt, erkannte die Chance, die er hatte.
Angreifen!
Wie von einem Katapult hochgeschleudert, kam er in die
Höhe.
Er flog förmlich auf Marie Rouvier zu.
Die hielt den Derringer noch vor sich und reagierte,
zielte…
Da geschah etwas Unheimliches.
Der kurze Lauf der kleinen, handlichen Waffe geriet plötzlich
in Bewegung und schien mit einem Mal zu leben wie eine kleine
Schlange, die sich verknotete und einmal um sich selbst
schlang…
Dann erfolgte der Schuß.
Die Kugel konnte den Lauf nicht verlassen. Es kam zu einem
klassischen Rohrkrepierer.
Marie Rouvier schrie auf, ließ den Derringer fallen und
wollte fliehen.
Da trat jemand aus dem Dunkeln auf sie zu.
Ruhig, gelassen, selbstsicher…
Die tote – Danielle de Barteaulieé…
*
Marie Rouvier schrie auf.
In ihrer Überraschung und ihrem Entsetzen leistete sie keinen
Widerstand mehr.
»Aber… das kann nicht sein!« preßte sie
totenbleich hervor. »Ich habe Sie erschossen und getroffen. Ich
treffe… immer…«
Die Frau war im Handumdrehen überwältigt.
»Der Derringer… er hat mich im Stich gelassen…, er
war verhext. Sie sind gegen mich… Ich habe versagt…, ich
werde der angedrohten Strafe nicht entgehen können…«
Sie redete wie in Trance, blickte von einem zum anderen und starrte
besonders lange auf Danielle de Barteaulieé, – die
unverletzt vor ihr stand.
Rani Mahay, der nur einen Blick mit Danielle gewechselt hatte und
die ihm zu verstehen gegeben hatte, daß sie die Lage
beherrschte, lief auf die schweigsame Charmaine Fraque zu.
Er hob ihren Kopf an.
Ihre Augen sprühten vor Haß.
»Ich habe… hoch gespielt…«, sagte sie kaum
hörbar. »Und verloren…, das ist nicht meine… Art,
ich bin… sonst stets… auf der Seite des Siegers…
Molochos und Rha-Ta-N’my werden… meinen Tod
rächen… ihr werdet eures Lebens nicht… mehr froh
werden…« Den Tod vor Augen war sie noch immer nicht bereit,
den Mächten abzuschwören, mit denen sie sich auf Gedeih und
Verderb eingelassen hatte.
Ihre Iris erweiterte sich ins Unendliche.
Charmaine Fraque, die noch vor wenigen Tagen die absolute Jugend
begehrt hatte, war
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