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Macabros 111: Molochos Flucht ins Jenseits

Macabros 111: Molochos Flucht ins Jenseits

Titel: Macabros 111: Molochos Flucht ins Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Shocker
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die dünnen Bäume mit
den Blättern, die aussahen wie Federn. Aber kein Lufthauch
setzte sie in Bewegung. Diese Region lag da wie unter einer
unsichtbaren Kuppel.
    Wie schwache Schatten wirkten die Gestalten dieser Welt, die sich
zeitlupenhaft bewegten.
    Carminia strich sich die Haare aus der Stirn und näherte sich
einem jungen Mädchen, das mit zerrissenen Kleidern in der
Nähe eines Baumes stand, den Kopf auf die Brust gesenkt hielt
und das Gesicht mit beiden Händen bedeckte, als würde sie
weinen.
    »Warum weinst du?« fragte Carminia leise, als sie dicht
neben ihr war.
    Sie streckte die Hand nach der Fremden aus und wollte sie
berühren. Doch das ging nicht. Sie war in der Tat nur ein
Schemen, eine Geistergestalt, und besaß keinen materiellen
Körper mehr.
    Carminias Hand ging in die Nebelgestalt hinein…
    Die Fremde schien etwas zu bemerken.
    Langsam wandte sie den Kopf und nahm die Hände vom
Gesicht.
    Ihr Antlitz schien aus Lehm geformt, glanzlos und traurig waren
die Augen.
    »Wer bist du? Kannst du mich verstehen?« fragte Carminia
vorsichtig weiter, jedes Wort betonend.
    Unverändert blieb der Blick der jungen Unbekannten.
    Da bewegte sie die Lippen. Carminia war gespannt darauf, was sie
zu hören bekam…
    Kein Laut erfolgte.
    Die Fremde blieb stumm, so still wie die ungewohnte Umgebung.
    Es war nicht möglich, mit den Geistern der Verstorbenen, die
offensichtlich hier festgehalten wurden, Kontakt aufzunehmen.
    Carminia versuchte in dem stillen, traurigen Gesicht zu lesen.
    Die Gestalt war nicht materiell, aber ihre Seele spiegelte den
Körper wider, den diese Fremde einst besessen hatte.
    Wie kam sie hierher? Wann und wie war sie gestorben? Was
wußte sie von diesem Land? Was von Molochos?
    Es gab so viele Fragen, die nach Beantwortung drängten.
    Noch etwas fiel der Brasilianerin auf. Nicht nur bei diesem
Mädchen.
    Dem Aussehen und der ›Kleidung‹ nach – handelte es
sich um ein Mädchen aus moderner Zeit. Aus – der
Gegenwart?
    Auch viele andere Gestalten ließen diesen Schluß
zu.
    Aber – das konnte nicht sein!
    Eins stand fest: die Alptraumstadt war in Xantilons Vergangenheit
gelandet. Molochos selbst hatte dies bestätigt.
    Dieses Jenseits-Reich lag demnach auch in der Vergangenheit!
    Wie aber konnten tote Seelen aus einer anderen Zeit hier
einsickern?
    Sie spürte intuitiv, daß sie einem neuen Geheimnis auf
der Spur war, und machte sich zur Aufgabe, ihm auf den Grund zu
gehen.
    Ihre Situation war ihr völlig klar, daran gab es nichts zu
deuteln.
    Als einzige Lebende hielt sie sich in einer Region des Jenseits
auf, die Molochos zugänglich war.
    Das Ziel derer, die von Rha-Ta-N’my abstammten oder sie
unterstützten, war stets, auch das Reich der Toten in ihren
Einflußbereich einzubeziehen.
    Hier schien ein Vorstoß gelungen zu sein.
    Die gespenstische, lautlose Region war vermutlich räumlich
begrenzt. Es waren nur wenige Geist-Schemen von Verstorbenen zu
sehen.
    Die Haltung und die Gestik aber war überall die gleiche:
etwas verwirrte sie. Sie waren niedergedrückt und schienen nicht
zu wissen, wo sie sich befanden. Sie fanden sich nicht zurecht.
    War der Tod für sie plötzlich gekommen? Wußten sie
nicht, daß dies das Jenseits war? Zumindest ein Abschnitt des
Totenreiches?
    Warum aber für sie – die Vergangenheit?
    Immer wieder war es dieser Punkt, der sie am meisten
beschäftigte und irritierte.
    Nachdenklich ging Carminia weiter, sie, die einzig Lebende.
    Die Umgebung war überall gleich. Weder die Wolken über
ihr noch die Landschaft ringsum nahm ein anderes Aussehen an.
    Was sie am meisten interessierte war der Ort, von dem aus die
Geister der hier Anwesenden in diese hermetisch verschlossene Welt
gelangten.
    Von irgendwoher mußten sie kommen.
    Sie beobachtete die Schemenkörper ganz genau.
    Sie glaubte schließlich die Richtung ausgemacht zu haben,
von der die schwebenden, kaum den Boden berührenden
›Gestalten‹ kamen.
    Dahin wandte sie sich.
    Sie begegnete einer Dreiergruppe, die abwesend am Wegrand stand
und traurig den Kopf gesenkt hielt. Die Gesichter zeigten Trauer,
Ratlosigkeit und Verwirrung. Gesichter, in denen die Hoffnung
fehlte…
    Zwischen den seltsam dünnen Bäumen mit den federartigen
Blättern schimmerte es rötlich-braun.
    Das war ein wahrer Farbklecks, der in dieser monotonen Einsamkeit
auffiel.
    Unwillkürlich beschleunigte Carminia Brado ihren Schritt. Sie
streifte die weichen Blätter und stand gleich darauf vor dem
fast runden, braun-roten

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