Macabros 114: Kaphoons Grab
kühlte seine
Haut.
Cooner hörte nicht auf mit dem Graben. Verbissen schuftete er
weiter. Er war kräftig und die Erde weich. So kam er schnell
voran.
Er legte nur hin und wieder eine kleine Verschnaufpause ein. Er
war besessen von dem Gedanken, die Angelegenheit so schnell wie
möglich hinter sich zu bringen.
Regen und Schweiß mischten sich auf seinem Gesicht.
Marvin Cooner mußte in die Grube steigen, weil er schon zu
tief war, um aus der Höhe mit dem Spaten den Grund zu
erreichen.
Es hatte stärker zu regnen begonnen. Die weiche Erde zu
beiden Seiten des Grablochs fiel krumig und in kleinen Mengen wieder
in die Gruft zurück.
Cooner fluchte und arbeitete weiter.
»Ich habe alles, was dich zurückgehalten hat«,
sagte er mal zu dem unsichtbaren Dämon,
»beiseitegeräumt. Du kannst also
näherkommen…«
Doch nichts geschah.
»Keine Lust, wie?« Cooner redete mit dem Unsichtbaren,
der sich ihm bisher nur als Stimme offenbart hatte, wie mit einem
lebenden Wesen. Hätte ein heimlicher Beobachter jetzt die Szene
sehen können, er wäre überzeugt davon gewesen,
daß hier ein Verrückter am Werk war.
Mitten in der Nacht legte jemand einen Sarg frei, führte
Selbstgespräche und benahm sich überaus
merkwürdig.
Um Cooners Füße bildeten sich kleine Pfützen, als
der Regen noch stärker einsetzte.
»Wenn du eiserne Türschlösser beeinflussen kannst,
ist es dir sicher auch möglich, den Regen einzudämmen.
Tu’ was…«
Seine Worte waren noch nicht verklungen, da geschah das
Merkwürdige.
Um ihn herum hörte es auf zu regnen. Marvin Cooner stand wie
unter einem unsichtbaren Dach, während der Regen sonst um so
heftiger einsetzte. Der Boden spritzte auf, das Rauschen des Regens
mischte sich mit dem Knirschen des Spatens, der kraftvoll in die Erde
gerammt wurde, als hätte Cooner neue Energie getankt.
»Ausgezeichnet«, sagte der Mann aus London. »Du
bist ein großartiger Kerl. So macht die Zusammenarbeit
Spaß…«
Und er dachte daran, wie es sein würde, wenn er seinen
Auftrag erst erfüllt hatte.
Ronald Myers… der reiche Myers, der für das
Vergnügen lebte, der es sich leisten konnte, weil er das
nötige Kleingeld dazu hatte.
Gab es denn so etwas, daß er einfach die Stelle in
Myers’ Leben einnahm, während dieser das seine
weiterführte? Dazu mußte sich die geheimnisvolle Stimme
noch äußern.
Der Spaten stieß auf etwas Hartes.
Der Sargdeckel!
Cooner verstärkte seine Anstrengungen, um den letzten
Bodenrest beiseite zu schaffen.
Dann sah er im Schein der Taschenlampe, die er oben auf den
Grabrand gelegt hatte, das dunkelbraune Holz des Sarges. Reste von
feuchter Erde klebten darauf.
Cooner zögerte nicht. Mit harter Hand rammte er die
Spatenspitze in den Spalt zwischen Deckel und Behälter,
verbreiterte den Spalt und hob die langen Zimmermannsnägel in
die Höhe. Es quietschte.
Schon verschob sich der Deckel. Nach dem Freilegen des Grabes war
die letzte Arbeit nur noch eine Sache von wenigen Augenblicken.
Der Deckel hing noch mit einem einzigen Nagel fest.
Cooner wollte ihn mit einem letzten Ruck beseitigen und dann den
Deckel abwerfen.
So weit kam er aber nicht mehr.
Im Sarg regte sich etwas.
Eine wächserne Hand mit langen Fingernägeln schob sich
aus dem Spalt und warf mit einem Ruck den Sargdeckel zur Seite.
*
Der Wind war stärker geworden.
Nach einigen Frühlingstagen herrschte in London geradezu
herbstliches Wetter.
William Marsh hörte das ständige Klappern, das in seinen
Schlaf und seine Träume drang und ihn schließlich
weckte.
Marsh knurrte wie ein getretener Hund.
»Verdammter Lärm«, schimpfte er im Halbschlaf.
»Ich wohne doch nicht am Piccadilly, sondern in einem Haus am
Friedhof… Was soll denn das?«
Das Klappern blieb.
William Marshs Hand tastete nach dem Lichtschalter.
Die Nachttischlampe flammte auf.
Geblendet schloß der zweiundsechzigjährige Witwer einen
Moment die Augen.
Er richtete sich auf, schob – die Augen, noch immer
geschlossen – seine Beine über die Bettkante und
öffnete spaltbreit die Lider.
Wieder dieses unangenehme Klappern…
Einer der alten Klappläden hatte sich gelöst und wurde
zu einem Spielball des Windes.
Ein Haken hatte sich gelöst, der sich nicht mehr einschrauben
ließ, weil das Loch zuviel Spielraum hatte.
Marsh überlegte schon, daß es am besten sei, die ganze
Sache für die Nacht mit einem Draht notdürftig zu
befestigen, um das schlafstörende Klappern abzustellen, als er
ein weiteres
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