Macabros 115: Skorokka - Strom ins Totenland
glaubte. »Für Unsinn nehm’
ich mir um diese Stunde keine Zeit mehr.«
»Ich kann dich ja verstehen, Dick! Du mußt mich
anhören. Ich weiß nicht mehr, was ich tun
soll…«
»Dann wenden Sie sich an die Polizei. Oder – wenn du
wirklich Ronald bist, dann verstell’ deine Stimme nicht
länger…«
»Ich kann nicht anders, Dick. Es ist etwas Schreckliches
geschehen. Ich muß dich sehen, dir alles erklären. Ich bin
wirklich Ron, auch wenn du mich an meiner Stimme nicht erkennst. Ich
sage nur ›Chelsea‹…«
Myers glaubte förmlich das Zusammenzucken seines
Gesprächspartners zu sehen.
»Heh?« klang es nur zurück. »Was wissen Sie
von ›Chelsea‹?«
»Alles, was du darüber weißt, Dick. Es gibt nur
zwei Menschen, die etwas davon wissen können – das bist du
und das bin ich. Und wenn noch ein anderer davon etwas weiß,
dann hast du darüber gesprochen…«
»Kein Wort!«
»Also – bin ich Ronald Myers, auch wenn meine Stimme
gegen mich spricht. Auch mein Aussehen, Dick, entspricht nicht mehr
dem, das ich ursprünglich hatte. Man hat mich
verhext…«
»Unsinn! Ronny – ich geh’ davon aus, daß du
dich in Campagner-Laune befindest. Wahrscheinlich bist du noch im
›Horse-Club‹, oder du hast Clarissa tatsächlich davon
überzeugt, daß es nur für sie von Vorteil sein kann,
wenn sie sich von dir nach Hause bringen läßt. Dabei seid
ihr natürlich rein zufällig an deinem Haus vorbeigefahren,
das du ihr bei dieser Gelegenheit zeigen mußtest.«
»Genauso war’s, Dick. Aber dann ist etwas Schreckliches
passiert…«
»Und was ist passiert?«
»Das eben muß ich dir persönlich erklären.
Ich nehm’ jetzt ein Taxi und fahr’ raus zum Hyde
Park.«
»Du – nimmst ein Taxi?«
»Mir bleibt keine andere Wahl. Ich hoffe, daß das Geld
langt.«
»Ron – was um Himmels willen ist denn passiert? Hat man
dich überfallen und ausgeraubt?«
»Wenn es nur das wäre, ginge es noch. Es ist schlimmer,
Dick, viel schlimmer…«
»Ein Mord? Du willst mich auf den Arm nehmen.«
Plötzlich fiel Lorington wieder in seine anfängliche
Skepsis zurück. »Ich glaub’, da erlaubt sich doch
einer einen Scherz. Das mit ›Chelsea‹ war wohl ein
Versuchsballon, auf den ich hereinfallen sollte, wie? Fast wäre
dir das auch gelungen. Sag’ mir was Näheres darüber
– oder ich seh’ unser Gespräch als beendet an. Es sei
denn, du gibst zu erkennen, wer du wirklich bist und sprichst nicht
länger mit verstellter Stimme.«
»Hinter ›Chelsea‹ verbirgt sich ein Objekt, das wir
beide in Angriff nehmen wollten, von dem wir niemand etwas gesagt
haben. Selbst unseren Anwälten noch nicht. Es geht um eine
Geschäftsgründung besonderer Art, draußen in Chelsea,
deshalb der Name. Das Geschäft ist nicht ganz legal, wir hatten
die Absicht…«
»Schon gut«, klang es heiser zurück. »Keine
Einzelheiten. Okay, ich glaub’ du bist wirklich Ron, wenn es mir
auch noch immer schwerfällt, dies zu glauben.«
»Es wird dir noch schwerer fallen, wenn du mich erst siehst,
Dick. Aber ich werde dich überzeugen, weil ich Dinge weiß,
die nur Ronald Myers von dir wissen kann. Ich fahr’ jetzt
los…«
*
»Roll’ den Vorhang noch mal auf, Danielle!« sagte
der breitschultrige Mann mit der prachtvollen Glatze schnell.
»Laß uns nachsehen, was passiert sein
könnte…«
Die Französin handelte schon, noch ehe Mahays Worte
verklungen waren.
Wieder schienen Gischt und Schaum zu erstarren. Dann kehrte die
Sturzbewegung des Wasserfalles sich um und wurde zu einer
aufsteigenden.
Die terrassenförmig angelegte Höhle lag wieder vor
ihnen. Aber Björn Hellmark, der hier zurückgeblieben war,
war nirgends zu sehen.
»Björn!« rief Rani lautstark, daß es durch
das Höhleninnere hallte und als Echo zurückkehrte.
Auf der obersten Stufe der buntschillernden Felsenterrasse tauchte
eine Gestalt auf.
Björn Hellmark!
»Ja, was ist denn?« klang es verwundert aus der
Höhe zurück.
»Wir haben auf dein Signal gewartet«, erwiderte der
Inder. »Was ist denn los? Hast du deine Abmachungen mit uns
vergessen?« Mahay musterte den Mann, der ihnen entgegenkam und
das ›Schwert des Toten Gottes‹ in der Hand hielt,
aufmerksam, fast mißtrauisch. Hier auf Xantilon und gerade zu
dieser Zeit gab es Dämonen. Viele besaßen die Gabe, die
Gestalt zu wandeln. War dieser Mann wirklich der Freund – oder
eine tödliche Gefahr für sie?
Nicht immer konnte man sich auf seine fünf Sinne verlassen.
Wohl aber auf einen sechsten
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