Macabros 115: Skorokka - Strom ins Totenland
Die Maske…
so sieht er nicht wirklich aus… er hat sich mein Aussehen
gegeben.«
»Raus, Cooner! Lassen Sie sich nie mehr hier sehen!«
unterbrach der falsche Myers im Hausmantel den Wortschwall des
echten, der nun Marvin Cooner war. Er stieß den Mann vor sich
her.
»Er lügt, Clarissa! Ich bin nicht Cooner… so
glaub’ ihm doch nicht…«
»Wieso kennt er meinen Namen?« wandte sich die
Australierin an den falschen Myers.
»Er war schließlich lange genug hier im Haus und konnte
uns hören und sehen.«
»Aber wie kam er hier herein? Ich dachte, die
Alarmanlage…«
Der falsche Myers antwortete nicht gleich, schubste den Mann, der
durch eine unheimliche, dämonische Macht in einen anderen
verwandelt worden war, als er in die fremden Kleider schlüpfte,
durch die Tür vor das Haus.
Aber Myers, der aussah wie Marvin Cooner, hatte noch die ganze
Erinnerung an seine gesellschaftliche Stellung, an das Leben, das er
bisher geführt hatte. Und das war das Grausame.
Der Myers im Hausmantel atmete tief durch, als der
›ungebetene‹ Gast vom Hauseingang zurücktaumelte,
schwer atmend blickte und drohend die Faust schüttelte.
»Dieser Cooner, Darling, ist ein armes Schwein. Er hat mal
für mich gearbeitet. Ein unzuverlässiger Bursche. Kam
dauernd zu spät, die Abrechnungen stimmten nicht…, da
hab’ ich ihn kurzerhand rausgeworfen. Eine Zeitlang war er hier
so etwas wie Mädchen für alles. Er hat den Garten in
Ordnung gehalten, die wichtigsten handwerklichen Arbeiten erledigt,
die angefallen sind. Aber der Alkohol… er konnte die Finger
nicht von der Flasche lassen. So kam schließlich eins zum
anderen, Darling. In der Zeit, als er hier im Haus tätig war und
ich ihm mein ganzes Vertrauen schenkte, muß er sich einen
Nachschlüssel angefertigt haben. Damit war ihm natürlich
jederzeit so etwas möglich – wie es heute nacht
schließlich passiert ist. Mit dem Schloß wird die
Alarmanlage scharfgeschaltet und entschärft. Er konnte also
bedenkenlos eintreten, ohne befürchten zu müssen, Alarm
auszulösen.«
»Und was hat er hier im Haus gesucht?«
»Wahrscheinlich Bargeld. Er ist völlig heruntergekommen
und findet keine Arbeit. Du siehst ja, wie er aussieht in seinem
zerdrückten billigen Anzug.«
»Cooner!« brüllte der Mann vom Gartenweg her durch
die Nacht. »Ich werde Sie entlarven! Sei vorsichtig,
Clarissa… er ist nicht Myers… er ist nicht Myers… ich
bin Ronald Myers… ich bin es…«
Der Mann im Hausmantel lachte leise, und auch die Australierin
fiel in sein Lachen ein.
»In drei Minuten, Cooner – ist die Polizei auf diesem
Gelände. Wenn Sie bis dahin nicht verschwunden sind, wissen Sie,
was Ihnen blüht…« Mit diesen Worten schlug der falsche
Myers die Tür zu und sicherte sie, indem er die Schlüssel
von innen umdrehte und damit die Alarmanlage einschaltete.
Der Mann, der aussah wie Ronald Myers und seit Stunden im dunklen
Haus auf die Rückkehr des echten gewartet hatte, triumphierte.
Er hätte jubeln können, so wohl fühlte er sich.
Wie kurz erst war die Zeit, seitdem er wußte, daß er
über eine Kraft verfügte, die nicht jedermann
zugänglich war.
Mit der ›Stimme‹, die er gehört hatte, begann
alles…
Ein dämonisches Wesen machte sich in seinem Bewußtsein
bemerkbar und ließ ihn wissen, daß er über Tod und
Leben von Personen entscheiden könne, die ihm nicht
paßten.
Er konnte Mensch und Tier auf diese Weise den Tod bringen. Ein
›Versuch‹ in diesem Haus waren die Goldfische gewesen.
Drei Sekunden stand er nachdenklich, blickte auf seine rechte
Hand, gezielt auf Daumen und Zeigefinger, und dachte an den Mann, der
nun verzweifelt und wie halb von Sinnen als Marvin Cooner durch die
Nacht taumelte und die Welt nicht mehr verstand.
Wenn er die Kuppen von Daumen und Zeigefinger
zusammenbrachte…
»Nein«, murmelte er gedankenversunken. »Nein, das
wäre zu einfach… er soll das Leben als Cooner
führen.«
Es wurde ihm nicht bewußt, daß er die Worte halblaut
ausgesprochen hatte.
»Wieso soll er sein Leben als Cooner weiterführen? Heh,
Ronny – was ist nur los mit dir?« Clarissas Stimme
riß ihn in die Wirklichkeit zurück.
In eine neue Wirklichkeit, die nun für immer zu ihm
gehören würde…
Er lächelte. »Was, Darling, sollte er sonst tun? Und
nun, laß’ uns den Zwischenfall vergessen. Wir wollen uns
den Abend nicht vermiesen… komm’, gehen wir zum
gemütlichen Teil über…«
Auch während er das sagte, mußte er an den
Weitere Kostenlose Bücher