Macabros 116: Die Droge der Götter
der Kristallfelsen
Xantilons lebte.
Sie selbst war durch den Zauber schwarzmagischer Praktiken in den
Sog des Unheils gezogen und zu dem geworden, was sie jetzt war. Nur
wenn sie selbst den Vorhang zum Jenseits passierte, konnte sie die
Seelen ihres kleinen Volkes noch retten, die sonst hoffnungslos den
Dämonischen zufielen.
Weiter denn je schien sie jedoch von diesem Ziel entfernt.
Der Mann, auf den sie gehofft hatte, war nicht mehr ansprechbar
und hatte sich für ein großes, riskantes Abenteuer
entschieden. Ein Abenteuer, dessen Ausgang niemand kannte.
Und es gab eine zusätzliche Gefahr für diesen Mutigen:
Den Dämonentod aus dem Dschungel.
Am liebsten hätte die grüne Priesterin den
Schoten-Pflanzen, die ihrem Einfluß unterlagen, und einigen
Lianen den Befehl gegeben, die beiden Schlafenden von dem freien
Platz zwischen den Hütten zu entfernen und die schützenden
Hüllen um sie zu legen.
Doch dieser Weg war ihr versperrt.
Die Dämonenpflanzen dagegen hatte eine Möglichkeit. Das
Rascheln und Raunen in der nahen, undurchdringlichen Wildnis, zeigte
ihr an, daß sich dort etwas tat.
Lianen bewegte sich wie grüne Schlangen zwischen den
Ästen und Blättern, entrollte sich und streckten sich
gierig wie Tentakel aus, die etwas ergreifen wollten.
Die Unruhe und die Heftigkeit der Bewegung im Dschungel nahmen
zu.
Zwischen den Blättern krochen Lianen hervor, die dick waren
wie ein Finger, andere hatten den Umfang eines starken
Männerarmes.
Die bösen Geister lechzten nach dem Leben jener beiden
Menschen, die ahnungs- und hilflos in tiefem Schlaf lagen und nicht
mitbekamen, was vorging.
Die vom Geist dämonischer Mörder erfüllten Pflanzen
kamen.
Die Lianen verknüpften sich, um einer – der dicksten und
kräftigsten – die Möglichkeit zu geben, ihre
Länge auszudehnen.
Sie wuchs über den Rand des Dorfplatzes, hinweg, tauchte
schon auf zwischen den Hütten und kroch über den Moosrand,
dann über die trockene, staubige Erde.
Die von einem bösartigen Geist besessene Pflanze schien Augen
zu haben, um zu sehen, feinste Tastsinne, um zu fühlen, wo die
beiden ahnungslos Schlafenden lagen.
Sie wuchs unaufhörlich, langsam aber stetig – und kam
Carminia Brado und Björn Hellmark immer näher…
Der Dschungel der bösen Geister befand sich in Aufruhr.
In ihm ächzte und wisperte, raschelte und schmatzte es und
gab es lautes Knallen, als wieder eine Liane sich losriß und
zuckend durch die Luft schnellte, um die Kette aus gewachsener
organischer Substanz zu verlängern.
Der Tod kam ständig näher…
*
Der ›Horse Club‹ war eines von vielen Etablissements
dieser Art, um sich in London zu vergnügen.
Es war aber eines der interessantesten und am besten besuchten in
Londons Carnaby Street.
Der ›Horse Club‹ öffnete um achtzehn Uhr. Der
Betrieb ging bis nach Mitternacht.
Musik, die unter die Haut ging, internationale Schönheiten,
die kaum bekleidet sangen und tanzten, die Girls, die ihre
Darbietungen machten – das alles hatte dem ›Horse
Club‹ den Vergleich mit dem ›Moulin Rouge‹ oder
›Crazy Horse Saloon‹ in Paris eingebracht.
Mit Einbruch der Dunkelheit fuhren die ersten Luxus-Karossen
vor.
Bentleys und Rolls-Royce gab es in dieser Zahl in ganz London
sonst nicht zu sehen.
Das Publikum bestand hauptsächlich aus Männern.
Top-Manager und Geschäftsleute, die sich in London aufhielten,
ließen sich einen Besuch des Clubs nach Möglichkeit nicht
entgehen.
Die Türsteher achteten auf perfekte Garderobe. Anzug und
Krawatte waren Pflicht.
Viele Besucher kamen mit dem Taxi.
Aus einem stiegen Dick Lorington und sein Begleiter, ein Mann
namens Marvin Cooner.
Lorington, angesehener Geschäftsmann, konnte sich nur schwer
an den Gedanken gewöhnen, daß der Mann mit den buschigen
Augenbrauen, der ungesunden Gesichtsfarbe und den braun-grünen
Augen sein Freund war.
Das Äußere war ihm fremd.
Marvin Cooner aber hatte ihm einwandfrei nachgewiesen, daß
er in Wirklichkeit Ronald Myers war. Der Ronald Myers, der seit zwei
Tagen in der alten Luxus-Villa zwanzig Meilen nördlich von
London lebte, war in Wirklichkeit Cooner. Dieser Cooner hatte einen
Körpertausch vollzogen und den echten Ronald Myers praktisch in
seine eigene Gestalt gezwungen.
Lorington fiel es noch immer schwer, den Mann an seiner Seite
– den er dem Aussehen nach erst in der letzten Nacht
kennengelernt hatte – mit dem Namen ›Ron‹
anzusprechen. Myers, mit der Physiognomie eines kleinen
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