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Macabros 119: Flieh, wenn der Schattenmann kommt

Macabros 119: Flieh, wenn der Schattenmann kommt

Titel: Macabros 119: Flieh, wenn der Schattenmann kommt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Shocker
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›klinisch Toten‹ empfingen
die Eindrücke offenbar direkt über das Hirn, über eine
geistige Brücke.
    Anders bei diesem Mann.
    Er sah etwas. Und in dem, was er träumte, lebte er mit. Das
hatte er offensichtlich auch durch seine merkwürdigen
’Wortfetzen mitteilen wollen.
    Aber Dr. Stan Bogart irrte sich.
    Shawn Addams träumte nicht.
    Er durchlebte nochmal jene Stunden auf der Insel der Zauberin, die
sein Dasein und sein Schicksal wie kein anderes Lebewesen
beeinflußt hatten.
    Was damals geschehen war, vor fünfzig Jahren, gewann nun
wieder Bedeutung.
    Er sah alles genau vor sich, war mitten drin in den Ereignissen
und konnte Traum und Wirklichkeit nicht voneinander
unterscheiden.
    Er wußte, daß er kein Mensch mehr war, daß
Caliko, die Zauberin, ihn in einen Raben verwandelt hatte.
    Es kam ihm so vor, als hätte man ihn in eine grausame
Märchenwelt versetzt, in der er sich bewähren und aus der
er einen Ausweg finden mußte.
    Er wußte nicht, wieviel Zeit seit dem Zauber vergangen
war.
    Er hieß Shawn, war ein Rabe und begleitete die unheimliche
Herrin dieser kleinen Insel auf Schritt und Tritt.
    Oft hockte er auf einem Ast in der Nähe der Bucht, in der er
das Motorboot, mit dem er gekommen war, vertäut hatte. Auch dies
war von Caliko verzaubert worden. Mit ihrem magischen Schlangenstab,
der leuchtende Staubbahnen durch die Lüfte zog und mit dem sie
Blitze schleudern konnte, war ihr offenbar alles möglich.
    Aus dem Motorboot war eine neue steinige, moosüberwachsene
Landzunge geworden. Kein Mensch, der hierher kam, würde auf die
Idee verfallen, daß die Landzunge in Wirklichkeit ein Boot war,
obwohl die Form annähernd daran erinnerte.
    Tage und Wochen vergingen, Monate und Jahre.
    Shawn, der Rabe, fand sich mit seinem ungewöhnlichen
Schicksal ab.
    Als Mensch hatte er sich gewünscht, einmal Zeuge der Treffen
und Festlichkeiten jener zu sein, die im griechischen
Götterhimmel eine besondere Rolle spielten.
    Als Rabe hatte er die Gelegenheit, die seltsamen Besucher der
Zauberin Caliko zu sehen.
    Aber das waren keine himmlischen Wesen.
    Es waren Schauergestalten, die die Hölle ausgespuckt
hatte.
    Sie kamen nach Einbruch der Dunkelheit aus dem Wasser, stiegen
empor aus der Tiefe des Meeres und sammelten sich auf der einsamen,
verrufenen Insel.
    Ihre Ankunft durfte er sehen und die gräßlichen Feste,
die sie feierten, die nichts Menschliches an sich hatten.
    Die Feste paßten zu ihnen.
    Sie waren Monster, Bestien. Einige sahen aus, als wären sie
mit klobigen Händen aus Schlamm und Lehm geformt, andere waren
ein Mittelding zwischen matschiger Erde und wandelndem Moos. Die
geistlosen Geschöpfe aus der Tiefe gaben seltsame und grauenhaft
klingende Laute von sich.
    Es waren auch Wesen darunter, die sich nach dem Einbruch der
Dunkelheit aus Löchern und Mulden in der Erde gruben, aus den
Schatten gewaltiger Luftwurzeln und mächtigen Stämmen
kamen, Geschöpfe und Leben, die diese Bezeichnung nicht
verdienten.
    Wozu dienten sie? Warum versammelten sie sich hier?
    Shawn, der Rabe, hörte ihre geheimnisvollen Gespräche,
die sie in einer Sprache führten, die eine Beleidigung für
jedes menschliche Ohr war und deren Laute allein schon Ängste
verursachten.
    Die Verlorenen, Verdammten einer dämonischen Welt,
schmiedeten hier Pläne für die Zukunft.
    Die »Insel der Götterwesen« hatte von den Menschen,
die fern auf dem Festland etwas ahnten, aber in Wirklichkeit nichts
wußten, den falschen Namen erhalten.
    Es war die »Insel der Höllenwesen«…
    Ihnen entkam keiner. Caliko, die Menschenfrau, und die
Dämonen beherrschten mit ihrer Macht dieses winzige Eiland in
der Ägäis.
    Shawn begriff, daß von dieser Insel kein Platon, kein Homer
und kein anderer berichtet hatte. Auch Odysseus auf seinen Irrfahrten
war nicht mit ihr in Berührung gekommen, obwohl er sicher die
ungewöhnlichsten Abenteuer erlebt hatte, die ein Mensch nur
erleben konnte.
    Ihm, Shawn, aber wurde noch Ungewöhnlicheres zuteil. Nur
– er konnte das, was er hörte und sah, niemand mitteilen.
Das Festland war zu weit entfernt, er konnte es nicht erreichen. Das
Fliegen fiel ihm schwer. Die grausame Caliko hatte alles so
eingerichtet, daß es ihr zum Vorteil gereichte.
    »Eins verstehe ich nicht«, sagte er eines Tages zu ihr,
als sie in der Dämmerung am Strand saß und einen Vogel mit
prachtvollem Federkleid rupfte. Sie hatte das Tier im Flug gefangen,
und es hatte keine Chance gehabt.
    Mit ihrem Schlangenstab entfachte sie aus

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