Macabros 121: Höllenmarionetten
um das
Gegenstück, um einen thailändischen Mönch in flammend
roter Robe, ins Gebet vertieft.
Auch diese Figur war im Handumdrehen entwendet und nach
draußen gebracht.
Da kamen auch schon die beiden anderen Eingeweihten durch die
Budenstraße. Wieder erfolgte das vereinbarte Zeichen.
Hanton machte sich an Nummer drei.
Abseits in einer düsteren Ecke stand – von großen
roten Vorhängen flankiert – ein französischer Marquis.
Er trug eine dunkelblaue, golddurchwirkte Brokatjacke und ein Hemd
mit großen, auffallenden Rüschen-Manschetten.
Diese Figur wollte er mitnehmen.
Zwei Dinge hinderten ihn daran…
Zuerst sein Erschrecken – und dann der Angriff!
Wie aus dem Nichts heraus fiel ein großer, leicht gebogener
Dolch vor seine Füße.
Es schepperte dumpf auf dem Dielenboden.
Hantons Hand mit der Taschenlampe ruckte herum, und zitternd
erfaßte der helle Lichtstrahl den Gegenstand auf dem Boden.
Die Waffe war – blutverschmiert.
Hanton kam nicht mehr dazu, sich zu bücken und den
rätselhaft aufgetauchten Gegenstand näher zu
betrachten.
Die Hände des Marquis, der vermeintlichen Wachsfigur,
schnellten urplötzlich nach vorn und legten sich mit brutaler
Gewalt auf Mund und Nase des Mannes, der hier eingedrungen
war…
*
Sie vernahm die Stimme wie aus weiter Ferne. Danielle de
Barteaulieé kam es so vor, als würde sie
träumen.
Die Stimmen unterhielten sich auf französisch?
Dann war sie nicht auf der Insel, und sie träumte auch
nicht!
Sie fröstelte und hatte das Gefühl, auf einem Eisblock
zu liegen.
Sie mußte sich zum Wachwerden zwingen.
Danielle wurde ein weiterer Umstand bewußt.
Sie konnte sich nicht so frei bewegen wie sonst.
Sie war gefesselt und lag auf dem nackten, eiskalten Boden eines
Verlieses.
Wie kam sie nur hierher?
Es dauerte eine Weile, ehe sie die Dinge wieder chronologisch in
den Sinn bekam.
Das ›Panoptikum der Zeiten‹!
Dort hatte alles begonnen.
Danielle hatte versucht, einer verdächtigen Bewegung
nachzugehen. Jemand schien sich in der Strohhütte der
nachgebildeten Pygmäen verbergen zu wollen.
Aber – warum?
Da sie das nicht verstand, warf sie selbst einen Blick hinein. Und
da war es passiert… Schnell und schmerzlos. Sie war mit einem
schweren Gegenstand niedergeschlagen und gleichzeitig nach vorn in
den Kern der Dunkelheit gerissen worden.
Im gleichen Augenblick waren ihre Sinne erloschen und nun kehrte
die Erinnerung zurück.
Hatte man sie – entführt?
Alle Umstände sprachen für eine solche Annahme.
Ein Angriff durch Dämonen, durch Rha-Ta-N’my selbst oder
durch einen Feind, den sie noch nicht kannte.
Sie war unbeobachtet und konnte handeln.
Normale Fesseln konnten sie, wenn sie ihre Hexenkräfte
einsetzte, nicht halten.
Sie machte sofort die Probe aufs Exempel und starrte auf die
schweren, eisernen Manschetten, die man um ihre Fuß- und
Armgelenke geschlungen hatte und an denen die Ketten befestigt
waren.
Die Manschetten waren verschlossen – aber nicht mehr
lange.
Danielle de Barteaulieé konzentrierte sich auf das
Schloß. Es knackte darin, als würde ein Bolzen brechen.
Der Bügel bog sich leicht nach außen, und sie konnte ohne
Schwierigkeiten die eisernen Manschetten abstreifen.
Leise, um sich durch ein zu lautes Geräusch nicht zu
verraten, legte sie ihre Ketten auf den rauhen kalten Steinboden
zurück.
Danielle schlugen klappernd die Zähne zusammen.
Sie war sommerlich gekleidet und fror in dieser Kälte
erbärmlich.
Die Französin hatte Schwierigkeiten mit dem Gehen.
Ihre Glieder waren wie abgestorben, und sie massierte heftig Arme
und Beine, um den Blutstrom wieder in Gang zu bringen.
Sie torkelte auch danach noch mehr, als sie ging.
Das Verlies war mehr eine Nische, die auf einer Seite offen war
und in einen langen, grobgemauerten Korridor mündete.
Der Boden unter ihren Füßen war gepflastert. Schwacher
Lichtschein vom Ende des Korridors durchsetzte die Finsternis und
ermöglichte es Danielle, sich in ihrer ungewohnten, fremdartigen
Umgebung zurechtzufinden.
Sie folgte dem Klang der Stimmen.
Sie waren dort, wo auch das unruhig flackernde Licht herkam.
»… ich muß fliehen, verstehen Sie mich?«
vernahm sie eine Stimme. Sie klang erregt, und der Sprecher redete
schnell. »Sie haben meinem Bruder geholfen, Calvell… ich
bitte Sie: lassen Sie mich nicht im Stich. Schaffen Sie mich fort von
hier… ich zahle Ihnen dafür, was Sie wollen. Aber –
retten Sie meinen Kopf!«
Merkwürdige Worte schienen
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