Macabros 122: Doc Shadow - Geist der Schattenwelt
Schwäche kaum gehen und mußte gestützt
werden. Menschen mit blassen Gesichtern und verweinten Augen kamen
auf das Friedhofstor zu.
Frank Haymes hockte wie versteinert am Steuer seines Wagens und
wartete den Vorbeimarsch der Friedhofsbesucher ab.
Er nahm die Menschen wahr wie hinter einem dunklen, pulsierenden
Nebel und war gar nicht richtig da…
Die Trauergäste kamen offensichtlich von jenem Teil des
Friedhofs, der in der vorderen Hälfte vor der Trennmauer mit den
Kaufgräbern lag. Hier wurden meist wohlhabende Leute beigesetzt,
ganz hinten dann, in den Reihengräbern, die weniger
Begüterten, deren Gräber sich glichen wie ein Ei dem
anderen. Dort hinten war auch das mit Linda passiert… Haymes
Gedanken schweiften ab.
Die meisten Teilnehmer an der zu Ende gegangenen Beerdigung hatten
es eilig davonzufahren. Zwei, drei kleinere Gruppen standen noch
einige Zeit nahe der Toreinfahrt und unterhielten sich dort mit
gedämpften Stimmen. Wortfetzen drangen zu Frank Haymes in den
Wagen, aber er verstand sie nicht.
Es fing an zu regnen, und bei den ersten Tropfen lösten sich
auch die Gesprächsgruppen auf.
Alle Fahrzeuge verschwanden.
Zurück blieb nur das von Frank Haymes.
Der ließ noch zwei Minuten verstreichen und dachte
darüber nach, ob der seltsame Besucher von vorhin sich ebenfalls
schon hier eingefunden und sein Fahrzeug möglicherweise weiter
seitlich geparkt hatte.
Er stieg aus dem Auto und nahm die Tasche mit.
Schnell lief er auf dem Hauptweg die Richtung, die sie auch in
jener Nacht eingeschlagen hatten.
Frank Haymes beeilte sich, hinter die dicht stehenden Baumreihen
zu kommen, um vom Haus des Friedhofsverwalters aus nicht mehr gesehen
zu werden.
Hinter den Fenstern der ersten Etage brannte Licht. Dunkle
Silhouetten von Menschen bewegten sich dort.
Der Bankkaufmann tauchte zwischen hochragenden Grabsteinen unter.
Er benutzte die schmalen Seitenwege, um an den vereinbarten
Treffpunkt zu gelangen. Warum der seltsame Fremde, der eine solche
Macht auf ihn ausübte, ausgerechnet diesen makabren Treffpunkt
gewählt hatte, wollte ihm nicht in den Kopf. Es gab auch andere
Orte, die abseits lagen und an denen eine unbeobachtete Übergabe
des entwendeten Geldes und der Schecks möglich gewesen
wäre.
Haymes’ Unbehagen wuchs, als er sich der Weggabelung
näherte, an der in der fraglichen Nacht das unheimliche
Geschehen passiert war. Beobachtet hatte keiner etwas von ihnen
– und doch bezeichneten sie es alle als unheimlich, denn das,
was Linda Tanner erlebt hatte, ohne noch darüber sprechen zu
können, mußte ungewöhnlich und erschreckend gewesen
ein.
Haymes sah die Bank vor sich, die tief herabhängenden
Äste der Trauerweide und hörte das leise Rauschen des
Regens, ohne sich an der Nässe zu stören, die sein Haar und
seine Kleidung durchfeuchtete.
Er fragte nicht mehr, warum und weshalb er gekommen war. Er
erschien, weil jemand es so von ihm verlangt hatte.
Vor seinem geistigen Auge sah er Linda, wie sie da stand und
schrecklich schrie… und plötzlich fuhr er zusammen.
Da war wieder ein Schrei… der gleiche wie in der
gespenstischen Nacht!
Nur leiser, kaum hörbar.
Er lag in der Luft und drang aus den Zweigen und Asten der alten
Weide, und der Wind fuhr in deren Blätter, so daß sie laut
und vernehmlich raschelten.
Frank Haymes merkte, wie eine Gänsehaut seinen Rücken
emporkroch.
Am liebsten hätte er auf dem Absatz kehrt gemacht und
wäre davongerannt. Aber etwas hielt ihn ab. Er konnte nicht
sagen, was es war.
Er blieb auf dem Friedhof der einzige Lebende zwischen all den
Zeichen der Vergänglichkeit.
Der einzige?
Im Schatten unter den tief hängenden, dichten Zweigen bewegte
sich jemand.
»L-i-n-d-a?« entfuhr es Frank Haymes, und er hatte das
Gefühl, als würde sich eine eisige Hand in sein Herz
krampfen, als er die helle, schemenhafte Gestalt einer jungen Frau
wahrnahm…
*
Die Löschmannschaften hielten sich noch in dem Hochhaus auf,
in dem sich in wenigen Minuten ein zweites unglaubliches Geschehen
abgespielt hatte.
Dem raschen Eingreifen der Feuerwehr war es zu danken, daß
es nicht zu dem erwarteten Inferno kam.
Die Mannschaften legten einen Schaumteppich aus,
übersprühten die am meisten gefährdeten Autos
ebenfalls mit Löschschaum und verhinderten auf diese Weise eine
Ausdehnung des Brandherdes.
Die Aussagen zur Sache, die die Polizei von den Zeugen erhielt,
waren alles andere als logisch oder vernünftig.
Ein Auto hatte sich selbständig
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